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Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven und Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag in Berlin.

© AFP

EU-Flüchtlingspolitik: Deutschland und Schweden fordern verbindliche Quoten

Deutschland und Schweden wollen verbindliche Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Das ändert aber nichts am Widerstand der Osteuropäer.

Inzwischen scheint kein Tag mehr zu vergehen, ohne dass Angela Merkel in der Flüchtlingskrise öffentlich das Wort ergreift. Am Montag hatte die Regierungschefin noch im Kanzleramt gemeinsam mit SPD-Chef Sigmar Gabriel die Hilfsbereitschaft der Bürger in Deutschland bei der Aufnahme der Flüchtlinge gelobt. Am Tag darauf stand im Kanzleramt auch wieder ein Sozialdemokrat neben ihr – allerdings kein Vertreter aus der heimischen SPD, sondern der schwedische Regierungschef Stefan Löfven.
So wie die Kanzlerin auf Gabriel bei der Bewältigung der Herausforderung angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen in Deutschland zählen kann, so hat Merkel in dem schwedischen Sozialdemokraten einen Verbündeten, wenn es darum geht, das dicke Brett der Flüchtlingspolitik auf europäischer Ebene zu bohren. Merkel sagte, dass sich Deutschland und Schweden für „verbindliche Quoten“ zur Verteilung der Schutzsuchenden unter den EU-Staaten einsetzten. Einen derartigen festen Verteilungsschlüssel lehnen aber vor allem die Osteuropäer, darunter Ungarn und Polen, ab – auch wenn Löfven am Dienstag noch einmal eindringlich appellierte, dass die EU eine „tiefe moralische Verpflichtung“ zur Aufnahme der Asylbewerber habe. Sein Land gehört wie Deutschland zu den EU-Staaten, die überdurchschnittlich viele Flüchtlinge aufnehmen. Eine dauerhafte Regelung zur Verteilung der Schutzsuchenden, die auch die Osteuropäer stärker in die Pflicht nehmen würde, wäre also auch im Sinne Löfvens.
Der gemeinsame Auftritt der Kanzlerin und des schwedischen Ministerpräsidenten gehört zu einer ganzen Reihe von Vorstößen, mit denen Merkel mithilfe europäischer Verbündeter eine „reformierte europäische Flüchtlingspolitik“ aufs Gleis setzen will. Das bestehende Dublin-Verfahren, dem zufolge über das Mittelmeer ankommende Flüchtlinge in erster Linie in Griechenland und Italien ihren Asylantrag stellen müssten, passe nicht mehr „zu den Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben“, so Merkel.

Polens Verteidigungsminister bezeichnet Quoten als "Weg ins Nirgendwo"

Bereits in der vergangenen Woche hatten die Kanzlerin und Frankreichs Staatschef François Hollande in einem Brief an die EU-Kommission und den Europäischen Rat dargelegt, wie sie sich eine Reform der EU-Flüchtlingspolitik vorstellen. Die beiden forderten die Einrichtung so genannter Hot spots in Griechenland und Italien, in denen Flüchtlinge registriert und gemäß der Quote auf die übrigen EU-Länder verteilt werden sollen. Zudem hat die EU-Kommission Ungarn Hilfe beim Aufbau eines solchen Aufnahmezentrums angeboten. Am Dienstag signalisierte die Kanzlerin nun Gesprächsbereitschaft bei der Festlegung möglicher Quoten. Man könne durchaus darüber reden, dass die Wirtschaftskraft und die Arbeitslosenrate in den Aufnahmeländern bei der Verteilung der Flüchtlinge unter den EU-Ländern berücksichtigt würden, sagte sie. Kein Verständnis zeigte sich aber für einzelne Staaten, die sich angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen einfach wegducken: „Das ist etwas, das aus meiner Sicht nicht geht.“
Dennoch ist die Neigung, über verbindliche Quoten zu reden, in den osteuropäischen Staaten weiter sehr gering. Polens Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak bezeichnete einen verbindlichen Verteilungsschlüssel als einen „Weg ins Nirgendwo“. Ähnlich harsche Töne hatte zuvor der slowakische Ministerpräsident Robert Fico angestimmt. Verbindliche Quoten seien „irrational“, kritisierte er. So erklärte Merkel am Dienstag mit Blick auf ein System mit verbindlichen Flüchtlingsquoten: „Davon sind wir leider weit entfernt.“
An diesem Mittwoch will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker darlegen, wie er sich eine faire Aufteilung der Flüchtlinge unter den EU-Staaten vorstellt. Wie aus EU-Kreisen verlautet, will die Brüsseler Behörde die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen vorschlagen, die in Griechenland, Italien und Ungarn angekommen sind. Aus diesem Kontingent soll Deutschland den Angaben zufolge in den nächsten zwei Jahren weitere 31 000 Menschen aufnehmen.

Chef der EVP-Fraktion im EU-Parlament kritisiert Davutoglus Äußerung

Der Chef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, wies derweil Kritik des türkischen Premiers Ahmed Davutoglu an der EU-Flüchtlingspolitik zurück. „Die Türkei leistet einen wichtigen Beitrag bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak“, sagte Weber dem Tagesspiegel . Allerdings müsse die Türkei als EU-Beitrittskandidat auch in Zukunft ihrer Verantwortung gerecht werden, sagte der CSU-Politiker. „Die Erfahrung der letzten Tage, dass Tausende der Flüchtlinge via Türkei nach Europa kommen, ist ein nicht haltbarer Zustand“, so Weber. Belehrungen der türkischen Regierung seien „fehl am Platz“. Nach den Worten des EVP-Fraktionschefs passe es nicht zusammen, „mit einem Land Beitrittsverhandlungen zu führen, das seinen Verpflichtungen und seiner Verantwortung nicht nachkommt". Zuvor hatte Davutoglu einen „lächerlich geringen Anteil“ der EU-Mitgliedstaaten an der Flüchtlingshilfe kritisiert.

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