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Islam: Zahlen Muslime bald Kirchensteuer?

In Deutschland leben Hunderttausende Muslime. Aber der Islam ist nicht wie andere Kirchen als "Körperschaft des öffentlichen Rechts" anerkannt. Das könnte sich bald ändern.

Der Islam gehört wie das Christentum zu den großen Weltreligionen - doch in Deutschland agieren die Muslime in der zweiten Reihe. Denn ihnen fehlt, was die großen christlichen Kirchen zu schlagkräftigen Organisationen macht: der Status einer "Körperschaft des öffentlichen Rechts". Das ist der höchste staatliche Segen, den eine Religionsgemeinschaft bekommen kann - ein Segen, der mit ganz irdischen Machtbefugnissen verbunden ist.

Denn Körperschaften können mehr als eigene Friedhöfe unterhalten. Sie haben Sitz und Stimme in Rundfunkräten und können bei der Bauleitplanung der Kommunen schon mal den Weg für einen Moscheebau ebnen, sie dürfen Beamte beschäftigen und sind von der Grundsteuer befreit. Vor allem aber dürfen sie mit Hilfe der Finanzämter Kirchensteuer eintreiben. Neben den großen Kirchen genießen auch kleine Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften diese Privilegien. Ihre Zahl dürfte weit über Tausend liegen, schätzte die Bundesregierung 2006 in einer Stellungnahme.

Innenminister Schäuble erwartet eine Anerkennung der Muslime

Doch auch nach der Gründung des neuen Koordinationsrats der Muslime und den mittlerweile zwei Treffen der Deutschen Islamkonferenz ist noch offen, ob die deutschen Muslime diesen Sonderstatus anstreben. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) erwartet zwar "langfristig" eine Anerkennung der Muslime als Körperschaft. Ayyub Axel Köhler, Sprecher des Koordinationsrats, beschwichtigte aber vor einiger Zeit in einem Interview: "Wir sind uns noch gar nicht sicher, ob wir diesen Weg gehen wollen." Denn irgendwie liegt der Islam quer zum deutschen Kirchenrecht - oder umgekehrt.

Eine Körperschaft ist so etwas wie ein Staat im Staate; sie muss also gut durchorganisiert sein. Außerdem steht vor der Anerkennung ein mindestens 30-jähriges Bestehen. Der Islam ist zwar alt genug, doch er kennt traditionell keine festgefügte Kirche; Muslime haben keine Mitgliedsausweise. "Der Status bedeutet viel Macht, dazu braucht man innere Stabilität", erläutert der Erlanger Rechtsprofessor und Islamexperte Mathias Rohe. Bei den muslimischen Verbänden habe man wohl erkannt, dass man das derzeit noch nicht schultern könne.

Islamistische Organisationen werden vom Verfassungsschutz beobachtet

Die zweite Hürde auf dem Weg heißt Rechtstreue. "Es gibt kein Grundmisstrauen gegen Muslime", beeilt sich Rohe zu sagen. Laut Bundesverfassungsgericht ist "Staatsloyalität" jedenfalls keine Voraussetzung für den Körperschaftsstatus und - siehe Vatikan - eine demokratische Binnenstruktur schon gar nicht. Nur: Solange der Verfassungsschutz gut zwei Dutzend islamistischer Organisationen beobachtet - darunter Mili Görüs, das größte Mitglied im Dachverband Islamrat -, dürften auch hier Stolpersteine liegen.

Dabei wäre der Status für ein zentrales integrationspolitisches Projekt von großer Bedeutung, wie der Tübinger Kirchenrechtler Karl-Hermann Kästner erläutert. Muslimische Körperschaften wären wichtige Ansprechpartner des Staates bei der Einrichtung von Lehrstühlen für islamische Theologie, ohne die Islamunterricht an den Schulen schwer umzusetzen ist. Solche Lehrstühle gibt es bisher nur in Münster, Frankfurt und Erlangen. In Baden-Württemberg sollen von Herbst an Studenten für den Islamunterricht ausgebildet werden. So streben die muslimischen Verbände erst mal nach der "kleinen Lösung" - ihrer offiziellen Akzeptanz als Religionsgemeinschaften. Damit hätten sie wenigstens Einfluss auf die Lehrpläne des Religionsunterrichts, ein Körperschaftsstatus ist dafür nicht notwendig. Weil dies aber - außer bei den Alevitengemeinden - derzeit ebenfalls an organisatorischen Defiziten der islamischen Gemeinden scheitert, hat beispielsweise das baden-württembergische Kultusministerium für sein Modellprojekt Islamunterricht zu pragmatischen Lösungen gegriffen. Es hat erst einmal muslimische Elternverbände als Ansprechpartner mit ins Boot genommen - in der Hoffnung, dass sich eines Tages die Muslime selbst fit fürs komplizierte deutsche Rechtssystem machen.

Wolfgang Janisch[dpa]

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