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Politik: Die Ärmsten sind zu teuer

Bundesjustizministerium will das Verfahren für Privatinsolvenzen vereinfachen – auch um Geld zu sparen

Berlin - Schuldnerberater haben die Bundesregierung davor gewarnt, vermögenslose Schuldner in die Zwangsvollstreckung zu treiben, um die Staatskasse zu entlasten. Hintergrund ist der Streit über eine Reform des Verbraucherinsolvenzrechts. Bund und Länder hatten im Juli beschlossen, dass das Verfahren abgespeckt und der Schutz der Schuldner eingeschränkt werden soll. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) arbeitet nach Informationen des Tagesspiegels derzeit an einem Referentenentwurf, der bis Ende des Jahres fertig sein soll.

Überschuldete Privatleute können derzeit ein Verbraucherinsolvenzverfahren beantragen, an dessen Ende sie ohne Schulden dastehen. Wenn sie es schaffen, sich sechs Jahre lang wohl zu verhalten – also beispielsweise keine neuen Schulden machen –, werden ihnen am Ende des Verfahrens die Schulden erlassen. Während dieser Zeit überwacht ein Treuhänder, meist ein Rechtsanwalt, wie sich der Schuldner verhält, und verteilt Geld, das eingeht, an die Gläubiger. Der Schuldner muss während dieser Zeit nicht damit rechnen, dass Gläubiger beim Arbeitgeber oder bei der Bank Lohn oder andere Einnahmen pfänden.

Bund und Länder haben im Sommer beschlossen, dass der Treuhänder bei den sogenannten „masselosen Verfahren“ entfallen soll. Das sind die Fälle, in denen der Schuldner überhaupt kein Vermögen hat. Bund und Länder schätzen den Anteil der Insolvenzverfahren, in denen der Schuldner völlig blank ist, auf 80 Prozent. Kann der Schuldner Gerichts- und Treuhändergebühren nicht selber zahlen, müssen die Länder einspringen. Je nach Fall können so zwischen 2000 und 2500 Euro für das gesamte Verfahren zusammenkommen – Geld, das die Länder nicht zahlen wollen. In Deutschland gelten rund 3,1 Millionen Haushalte als überschuldet. Tendenz steigend.

„Man soll nicht gutes Geld schlechtem hinterher werfen“, sagte der rechtspolitische Sprecher der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Gehb, dem Tagesspiegel. Der Treuhänder sei kein Vermögensverwalter „von Staats wegen“.

Schuldnerberater laufen Sturm. Denn betroffen wären die Ärmsten der Armen. „Wenn der Treuhänder weg ist, bricht das ganze System zusammen“, sagte der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, Klaus Hofmeister. Der Treuhänder sorge für ein geregeltes Verfahren. Für die Schuldner, die oft den Überblick über ihre Verbindlichkeiten verloren haben, seien Ruhe und Stabilität enorm wichtig.

Ein Alternativentwurf soll Bundesjustizministerin Zypries andere Möglichkeiten aufzeigen: Eine Arbeitsgemeinschaft aus Schuldnerberatern, Gläubigervertretern, Richtern und Rechtsprofessoren hat einen Vorschlag entwickelt, wie man im Insolvenzverfahren Geld sparen kann, ohne den Schutz der Gläubiger einzuschränken. So soll das gerichtliche Eingangsverfahren für vermögenslose Schuldner komplett gestrichen werden. Der Betroffene soll gleich in die sechsjährige Wohlverhaltensperiode starten. Das würde die Verfahrenskosten um mehr als die Hälfte senken, sagt Hofmeister.

Noch feilt die Arbeitsgemeinschaft an den letzten Formulierungen, doch schon bald wollen die Experten in die Offensive gehen. Sie hoffen, der Ministerin zuvorzukommen. Was im Entwurf des Ministeriums stehen wird, ist noch unklar. „Ein bloßes Umsetzen“ der Eckpunkte aus der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft werde es nicht sein, betont ein Ministeriumssprecher. Allerdings steckt Zypries in der Klemme: Im Sommer hatten 15 der 16 Länderjustizminister für die Eckpunkte gestimmt. Auch vom Bund war kein Widerstand gekommen.

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