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Politik: Die Afrikanerin

Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul kommt in Kenia gut an – weil sie nach deutschen Maßstäben etwas altmodisch ist

Der Bischof ist außer sich. „Wir haben es hier mit Feinden zu tun“, sagt er bebend. Die drei Männer, die eben noch wortreich gegen eine geringfügige Mieterhöhung für ihre Wohnungen im Mathare Tal in Nairobi argumentiert hatten, ducken sich in ihre Stühle. Heidemarie Wieczorek-Zeul bleibt gelassen sitzen. Sie macht ein ernstes, interessiertes Gesicht und fragt: „Wer ist der Feind? Und worin besteht die Feindschaft?“ Da ist sie wieder, die ehemalige Lehrerin, die geduldig jeden Konflikt entschärfen kann.

Der Bischof spricht nun wieder ganz ruhig von bewaffneten Angriffen auf die Bewohner der Hütten in Nairobis größtem Slumgürtel. Auch mit deutschem Geld waren die Wellblechhütten durch festere Wohnungen ersetzt und Wasserleitungen ins Gebiet gelegt worden. Weitere Verbesserungen, etwa die Elektrifizierung des Viertels, sind aus den Mieten für die neuen Häuser finanziert worden. Bis die zwar entschädigten, aber dennoch wütenden früheren Besitzer der Hütten beschlossen, dass sich aus den Slumbewohnern noch viel mehr Geld herausholen lässt. Im Projekt ging zweieinhalb Jahre nichts mehr voran. Die deutsche Entwicklungsministerin ist der erste hochrangige Besuch aus Deutschland, seit dem demokratischen Machtwechsel in Kenia vor fast einem Jahr. Ganz ruhig hört sie sich die verschiedenen Meinungen der aufgeregten Bewohner um sich herum an. Sie sagt ein, zwei freundliche, aber allgemeine Sätze, und alle sind zufrieden.

„Souverän“ findet das Sebastian Groth, der für die Pressearbeit der deutschen Botschaft in Nairobi zuständig ist. Es sind gerade die eher altmodischen Eigenschaften der Ministerin, die ihren Kenia-Besuch zu einem Heimspiel machen. Selbst mit gebetsmühlenhaft wiederholten Sätzen, die bei den Genossen daheim, wie am Wochenende beim SPD-Parteitag in Hessen beispielsweise, nur noch Augenrollen provozieren, findet sie in Nairobi Gehör. Zum Beispiel der: „Korruption ist Diebstahl an den Armen.“ Mindestens zwanzig Mal sagt Wieczorek-Zeul diesen Satz zu unterschiedlichen Gesprächspartnern. Und jedesmal erntet sie ein wissendes Kopfnicken. Der Satz ist ja auch wahr. John Githongo, der in der Regierung Kibaki für die Ethik zuständig ist, lächelt über die Feststellung der Ministerin. Mr. Clean, Herrn Saubermann, so nennen sie den früheren Chef von Transparency International, ist nun in der neuen Regierung dafür zuständig, zu verhindern, dass jede Dienstleistung in Kenia mehrfach bezahlt werden muss.

In Kenia bewegt sich Heidemarie Wieczorek-Zeul bei ihrem ersten Besuch, als hätte sie nie woanders gewohnt. Sie kommt nicht nur deshalb gut an, weil sie Geld mitgebracht hat – Deutschland verdoppelt seine Entwicklungshilfe für die kommenden zwei Jahre auf 50 Millionen Euro –, sondern weil sie ist, wie sie ist. Ob sie mit Regierungsmitgliedern spricht oder Industriellen, mit Schulkindern oder Slumbewohnern: Alle sind begeistert von der deutschen Ministerin mit den roten Haaren. Mit den Kindern, die eine völlig überfüllte Grundschule im Slum besuchen, wiegt sie die Hüften. Mit Frauen aus einem Aids- Aufklärungsprojekt tanzt sie. Und wenn sie etwas gefragt wird, sagt sie zeitlos schöne Sätze. Für die 15-jährige Ann ist der Besuch der deutschen Ministerin so inspirierend, dass sie sagt: „Ich werde auch Politikerin.“

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