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Politik: „Die Angriffe haben eine neue Qualität erreicht“

Fregattenkommandant: Seeräuber agieren immer brutaler / Deutscher Frachter weiter in Seeräuberhand

Berlin - Die Piraten am Horn von Afrika haben sich offenbar auf die verstärkte Militärpräsenz im Arabischen Meer eingestellt. „Die Angriffe haben eine neue Qualität erreicht“, sagte Fregattenkapitän Kay-Achim Schönbach dem Tagesspiegel. Schönbach ist Kommandant der deutschen Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“, die seit mehreren Wochen im Rahmen der Antiterrormission „Operation Enduring Freedom“ (OEF) in dem Seegebiet patrouilliert. Am Donnerstagmorgen eilte das Kriegsschiff im westlichen Golf von Aden einem unter maltesischer Flagge fahrenden Frachter zu Hilfe – und konnte so einen Piratenangriff verhindern. Wenige Stunden zuvor war im selben Seegebiet der deutsche Tanker „Longchamp“ von Seeräubern gekapert worden. Er befindet sich nach wie vor in der Hand der Piraten; der Hamburger Betreiber des Schiffs, Bernhard Schulte Shipmanagement, hat in dem Fall inzwischen eine Nachrichtensperre verhängt. Zweck sei es, die Mannschaft des entführten Tankers nicht zu gefährden, sagte eine Unternehmenssprecherin. Die Fir ma werde „eng mit allen beteiligten nationalen und internationalen Organisationen und Institutionen“ zusammenarbeiten, um den Fall rasch zu lösen.

Offenbar gehen die Piraten bei ihren Beutezügen am Horn von Afrika immer brutaler und professioneller vor; Schönbach spricht mit Blick auf die gewachsene Militärpräsenz in der Region von „gegenseitiger Eskalation“. Während die Piraten internationale Handelsschiffe noch vor kurzem mit ein bis zwei Booten angegriffen hätten, kämen sie oft mit dem zwei bis dreifachen Aufgebot, berichtet der Fregattenkapitän. Zudem hätten die Seeräuber aufgerüstet: Während sie früher mit leichten Waffen wie Pistolen und Macheten bewaffnet gewesen seien, setzten sie nun auf Panzerfäuste und Kalaschnikow-Maschinengewehre. „Von denen machen die Piraten jetzt sofort Gebrauch“, sagt Schönbach. „Das liegt daran, dass die Angreifer für ihre Attacke inzwischen nicht mehr so viel Zeit haben“, sagt der Fregatten kommandant. „Sie müssen blitzschnell sein, weil sie immer damit rechnen müssen, dass die Kapitäne der Handelsschiffe per Notruf Hilfe anfordern.“

Nach Schönbachs Einschätzung wird vielen Frachtern am Horn von Afrika vor allem deren Automatisches Identifikationssystem (AIS) zum Verhängnis: Per Transponder werden die wichtigsten Schiffsdaten wie Tonnage, Name, Fracht, aktuelle Position und sogar der Abstand zum eigenen Schiff übermittelt. Offenbar hätten die Piraten Zugriff auf dieses System – und seien somit immer bestens im Bilde. Denn anhand der übermittelten Daten ließe sich zuverlässig analysieren, welches Schiff ein lohnendes Ziel darstellt – und welche Kriegsschiffe sich in Reichweite befinden.

Neben den OEF unterstellten Schiffen ist die Europäische Union seit Dezember bei ihrer Antipirateriemission „Atalanta“ mit Fregatten und Seefernaufklärern im Arabischen Meer unterwegs. Die USA wollen zusätzlich einen internationalen Flottenverband in die Region schicken, der sich gegen Seeräuberangriffe richten soll. Seit Jahresbeginn wurden vor der somalischen Küste drei Schiffe von Piraten gekapert. 2008 hatte es laut Internationalem Schifffahrtsbüro (IMB) vor Somalia 111 Piratenangriffe gegeben. Die See räuber erpressten damit Lösegelder von schätzungsweise mehr als 30 Millionen Dollar. mit dpa

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