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Politik: Die Angst vor der schmutzigen Bombe

In Seoul berät ein internationaler Gipfel zur Sicherung nuklearen Materials.

Öffentliche Aufmerksamkeit für die Gefahren im Umgang mit nuklearem Materials ist höchst ungleich verteilt. Die Filmindustrie verdient bestens mit wechselnden Szenarien, in denen eine Atombombe in Schurkenhände gerät. Internationale Konflikte um die Atomprogramme Nordkoreas oder des Iran machen Schlagzeilen. Bei Pannen in Atomkraftwerken schaut die Öffentlichkeit genau hin, nicht erst, seit ein Erdbeben mit nachfolgendem Tsunami Fukushima zerstörte.

Die ganz alltägliche Bedrohung durch radioaktive Stoffe erreicht dagegen selten die allgemeine Wahrnehmung. Dabei hat die Internationale Atomenergiebehörde IAEO allein in den vergangenen 18 Jahren mehr als 2000 Fälle von Schmuggel und kriminellem Umgang mit radioaktiven Stoffen beobachtet. Aus dieser Richtung drohe Gefahr, warnt IAEO-Generaldirektor Yukiya Amano in der „Washington Post“ vor dem Gipfel in Südkorea zur Sicherung nuklearen Materials und gegen die Verbreitung von Atomwaffen. Atomwaffenlager und Kernkraftwerke seien vergleichsweise gut gesichert.

Amano sorgt sich wegen des Umgangs mit weniger hoch angereichertem spaltbarem Material wie etwa aus der Medizintechnik. So waren 1987 300 Menschen verstrahlt worden, als Kleinkriminelle radioaktive Geräte aus einer stillgelegten Klinik in Brasilien stahlen. 2011 wollten Kriminelle hoch angereichertes, waffenfähiges Material in Moldawien verkaufen.

Auch wenn solche Fälle eine seltene Ausnahme sind, warnt Amano vor dramatischen Folgen, falls weniger gefährliches radioaktives Material von Terroristen zum Bau einer „schmutzigen Bombe“ missbraucht würde. Derzeit sei nur die Sicherung beim Transport nuklearen Materials international verbindlich geregelt, nicht aber dessen Schutz während der stationären Nutzung oder Lagerung und ebenso wenig die Abwehr von Sabotage gegen Atomeinrichtungen. 2005 wurde zwar ein Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag vereinbart, das diese Fragen regelt. Bisher haben es jedoch nicht genug Staaten ratifiziert, damit es in Kraft treten kann. Fast die Hälfte der gut 50 Teilnehmerstaaten des Gipfels in Südkorea ist noch säumig.

Der Auftakt des Treffens in Seoul bestätigte Amanos These von der geteilten Aufmerksamkeit. Die aktuellen Schlagzeilen handeln von den Konflikten um die Atomprogramme Nordkoreas und des Iran. Präsident Barack Obama hatte am Sonntag US-Soldaten an der Waffenstillstandslinie zwischen Nord- und Südkorea besucht. In einer Rede in Seoul forderte er die Führung in Pjöngjang auf, einen für Mitte April angekündigten Raketentest zu unterlassen. Der Test sei ein Bruch der jüngsten Vereinbarung, der zufolge die USA Nahrungsmittel liefern, sofern Nordkorea sein Waffenprogramm ruhen lässt. Pjöngjang argumentiert, man bereite nur den Transport eines Satelliten ins All vor und verfolge rein friedliche Zwecke. Südkorea, Japan und die USA sehen in dem Test dagegen eine Drohgebärde und die Arbeit an Raketen, die Atomwaffen tragen können. Obama bat zudem China, mehr Druck auf Nordkorea auszuüben.

Obama hatte die Bemühungen um die Sicherung spaltbaren Materials 2010 mit einem Gipfel in Washington neu belebt. Seoul ist das Nachfolgetreffen. Die Initiative gehört zu seinem Langzeitplan einer atomwaffenfreien Welt, den er 2009 in einer Rede in Prag erläutert hatte – parallel zu Verhandlungen mit Russland über die Reduzierung strategischer Atomwaffen, die 2010 zum neuen „Start“-Vertrag führten. In Seoul begegnet er noch einmal Russlands scheidendem Präsidenten Dmitri Medwedew, mit dem er „Start“ unterzeichnet hatte. Zum G-8-Treffen Mitte Mai in den USA wird bereits Nachfolger Wladimir Putin anreisen.

Außenminister Guido Westerwelle, der Deutschland in Seoul vertritt, betonte in einer Rede an der Universität Hanyang, Nordkorea müsse davon abgehalten werden, „die Welt mit seiner nuklearen Strategie zu bedrohen“. Auch der Iran müsse dazu gebracht werden, mit der IAEO zusammenzuarbeiten.

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