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Am Mittwoch will Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) Details der Bundeswehr-Reform bekannt geben.

© dapd

Wehrreform: Die Baustellen der Bundeswehr

An diesem Mittwoch gibt Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bekannt, wie die Umbauten und Reformen der Bundeswehr zu einer Berufsarmee aussehen sollen. Klar ist nur so viel: die Probleme der Truppe sind groß.

Sicher ist bisher nur der Verzicht auf die Wehrpflicht und die Reduktion der Truppenstärke. Seit 1990 hat das Heer als größte Teilstreitkraft der Bundeswehr bereits fünf große Strukturanpassungen durchlaufen. Die Truppe wurde zunehmend den Erfordernissen der Einsätze im Ausland angepasst. Dennoch durchziehen die Klagen über Mängel der Ausbildung und Ausrüstung und hohe Dienstbelastungen die Berichte des Bundeswehrbeauftragten bis heute. Eine Reform an Haupt und Gliedern, welche eine verkleinerte Bundeswehr den politisch verordneten Erfordernissen einer Interventions- und Einsatzarmee anpassen will, muss Lösungen auch für folgende Probleme bieten.

GRUNDSTRUKTUR

Die Grundstruktur der Bundeswehr stammt aus deren Gründungszeit, die bestimmt war von den Erfahrungen des NS-Staates und dem Willen, die Macht des Militärs in die junge Demokratie zu integrieren. Aus diesem Grunde wurde eine Armee aufgebaut, die in zwei Teile zerfällt. In Paragraph 87a und 87b des Grundgesetzes werden die Streitkräfte neben deren ziviler Verwaltung gestellt. Beide zusammen bilden die Bundeswehr. Die Bundeswehrverwaltung wiederum besteht aus der Wehrverwaltung und dem Rüstungs- und Beschaffungswesen. Früher waren die Verwaltung und das Beschaffungswesen der militärischen Hierarchie unterworfen und dem militärischen Befehlshaber verantwortlich. In der Bundeswehr dagegen handelt es sich um eine zivile Behörde, deren Beamte zwar dem zuständigen Staatssekretär und dem Minister gegenüber verantwortlich sind, aber keinem General. Dadurch kommt es auch bei dringenden Anträgen oft zu langen Wartezeiten und einer Vielzahl von bearbeitenden Stellen. Reibungsverluste sind systembedingt. Im Bericht der Strukturkommission unter der Leitung von Frank-Jürgen Weise vom Oktober 2010 heißt es: "Selbst bei akutem Bedarf im Einsatz und vorhandenen marktverfügbaren Produkten benötigen die Beschaffung, Integration und Erprobung aufgrund der Vielzahl der beteiligten Stellen, sequentieller Abarbeitung und fehlender entscheidungsbefugter und und durchsetzungsfähiger Projektleitung Jahre."

Ähnlich sieht es in der Truppe selbst aus. Bisher hat die Bundeswehr noch keinen militärischen Chef aller Soldaten. Zwar ist schon seit einiger Zeit beabsichtigt, den Generalinspekteur zum militärischen Oberbefehlshaber zu machen, dem dann die einzelnen Befehlshaber der Teilstreitkräfte verantwortlich sind, bisher führen diese aber noch ein Eigenleben.

Innerhalb der Streitkräfte gibt es eine Vielzahl von Doppelstrukturen. So unterhalten die Inspekteure der Teilstreitkräfte (Heer, Luftwaffe, Marine) jeweils einen Stab im Verteidigungsministerium und zusätzlich einen Führungsstab ihrer Teilstreitkraft. Im Ministerium befinden sich derzeit 17 Stäbe und Abteilungen mit einer Reihe von Überschneidungen der Zuständigkeiten, die einen erheblichen Koordinierungsaufwand erfordern und eine effektive Führung nahezu unmöglich machen. Ist zum Beispiel ein Truppenteil für einen Auslandseinsatz vorgesehen, beschäftigt sich zuerst der Stab der zuständigen Teilstreitkraft damit, dann das Ministerium, dann der zuständige Führungsstab. Schließlich geht dessen Vorschlag zum Führungsstab der Streitkräfte, wird dort erneut geprüft und kommt dann auf den Tisch des Generalinspekteurs. Zusätzlich gibt es noch den Einsatzführungsstab im Ministerium, der für die Einsatzplanung beim Generalinspekteur wichtig ist, und das Einsatzführungskommando bei der Bundeswehr, das die Einsätze leitet. Und alle habe ihre eigene Meinung, die gehört werden will.

PERSONALSTRUKTUR

Das Personal der Bundeswehr ist laut Strukturkommission zum Teil überaltert. Es gibt "zu wenig Indianer und zu viele Häuptlinge", die Stäbe sind aufgebläht worden, man will den Soldaten Perspektiven geben und schafft dementsprechend mehr und mehr Stellen. So gibt es mittlerweile stellvertretende Bataillonskommandeure, die aber kaum eigene Befugnisse haben. Viele Einrichtungen und Kommandos dienen vor allem dem Erhalt der hoch dotierten Dienstposten. Zwar gab es auch Versuche, den Beförderungsstau durch Frühpensionierungen abzubauen, diese Maßnahmen hatten aber immer nur verzögernde Wirkungen.

Nach dem Wegfall der Wehrpflicht setzt sich das Personal aus freiwillig Dienenden (bis zu 23 Monaten), Zeitsoldaten (2, 4, 6, 8 und 12 Jahre) und Berufssoldaten zusammen. Ein Zeitsoldat, der über seine zwölfjährige Dienstzeit hinaus dienen will, muss die Auswahl zum Berufssoldaten bestehen. Zwischen beiden Dienstformen besteht eine strikte Trennung. Mannschaftsdienstgrade, die für den Auslandseinsatz als Kämpfer und „Indianer“ dringend benötigt werden, können nur in Ausnahmefällen eine Verpflichtung auf acht Jahre eingehen. In der Regel ist deren Höchstdienstzeit auf vier Jahre beschränkt. Weiterverpflichtungen werden auch davon abhängig gemacht, ob der zuständige Truppenteil freie Stellen hat.

NACHWUCHSGEWINNUNG

Die Bundeswehr ist kein Arbeitsplatz wie jeder andere. Das ist spätestens klar, seit auch deutsche Soldaten in Afghanistan in Gefechten gefallen sind. Um den Nachwuchs steht sie aber in Konkurrenz mit der Wirtschaft, die oftmals deutlich bessere Bedingungen und Bezahlung gerade für die talentierten Nachwuchskräfte bietet. Der Wandel zur Berufsarmee wird diese Konkurrenz noch stärker werden lassen. Eine allgemeine Erfahrung, die alle Staaten machen, die den Wechsel von der Wehrpflicht- zur Berufsarmee vollzogen haben, ist der Rückgang der Freiwilligenzahl. In Spanien und anderen Staaten werden sogar Ausländer oder Immigranten angeworben, um den Personalbedarf zu decken. In den USA sollen Prämien in Höhe von bis zu einigen zehntausend Dollar zur Erst- und Weiterverpflichtung locken. Diese Möglichkeit gibt es in der Bundeswehr nicht. Stattdessen versuchte man bisher, den Dienst an sich attraktiver zu machen, und richtete die Möglichkeiten einer zivilen Berufsausbildung schon während der militärischen Dienstzeit ein. Außerdem sollten die Dienstzeiten den Arbeitszeiten der Wirtschaft angepasst werden: Das freie Wochenende und ein planbarer Dienstschluss sollen die Regel sein. Vor einigen Jahren wurde eine neue Laufbahnverordnung erlassen, die eine schnellere Beförderung in der Unteroffizierslaufbahn zu deren Spitzendienstgraden ermöglicht. Die neuen Laufbahnen sind in einem viel höherem Maße auf den vorgesehenen Dienstposten zugeschnitten, der kämpferische Anteil auf einen Mindestumfang reduziert. Das geht zulasten der Erfahrung und der Gefechtsfähigkeit. In der Truppe hört man von den älteren Dienstgraden vielfach die Klage über mangelnde Ausbildung und Erfahrung der neuen Feldwebel. Neue dafür nötige Mittel werden aber allenfalls durch Sparen an anderer Stelle aufgebracht werden können, zum Beispiel durch die Stilllegung von weiterem Großgerät oder Abstriche bei der Ausbildung oder der Sanierung von Kasernenanlagen. Vor allem in Westdeutschland gibt es Kasernen, deren baulicher Zustand so marode ist und deren sanitäre Anlagen so verkommen, das diese eigentlich durch die Gesundheitsämter geschlossen werden müssten.

AUSRÜSTUNG

Seit es staatliches Militär gibt, gibt es die Klage über falsche oder schlechte Ausrüstung. Wenn aber selbst der oberste Soldat der Bundeswehr, Generalinspekteur Volker Wieker, in seinem Bericht fürs Kabinett 2010 deren Rüstungsprojekte beschreibt als: "Sie fallen aus dem Kostenrahmen, sie fallen aus dem Zeitrahmen" und sie brächten "nicht einmal das geforderte Fähigkeitsspektrum", dann ist die Sorge offenbar groß. Projekte werden nicht immer nach militärischen Notwendigkeiten vergeben, sondern folgen politischer Logik. So ist es zum Beispiel mit dem neuen Transportflugzeug A400M. Politisch war es gewollt, ein europäisches Gemeinschaftsprojekt zu schaffen, welches die eigene Flugzeugindustrie stützt, anstatt sich fertige Modelle im Ausland zu kaufen. Als europäisches Gemeinschaftsprojekt haben viele Staaten ihre eigenen Spezifikationen, die noch durch die unterschiedlichen Wünsche der Teilstreitkräfte potenziert werden. Eine einzige, noch so kleine Änderung der Konstruktion durchläuft vor ihrer Genehmigung dutzende Ämter und Erprobungsstellen aller beteiligten Staaten und Armeen. Oft dauert es Jahre, bis eine Entscheidung fällt. Gerade die für eine Einsatz- und Interventionsarmee wichtige Lufttransportfähigkeit über weite Distanzen ist eine der größten Defizite der Bundeswehr.

FAZIT

Die beschriebenen Mängel und Probleme, mit denen die Bundeswehr seit langem zu tun hat, liegen zu einem Gutteil in der Unterfinanzierung der Truppe begründet. Die Friedensdividende, die man glaubte nach der Wiedervereinigung einstreichen zu können, verkehrt sich zu einem enormen Investitionsstau. Es ist fraglich, wie man unter diesen Bedingungen noch erhebliche Mittel bei der Bundeswehr einsparen will. Selbst wenn die Truppe schrumpft und Standorte aufgegeben werden, hat sich doch immer in der Geschichte gezeigt, dass eine Berufsarmee nicht kostengünstiger wird.

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