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Politik: Die CDU-Chefin: Hundert Tage seit der Wahl von Merkel - 99 liefen für sie nicht so gut (Kommentar)

Angela Merkel hat nach dem schwarzen Freitag der Union gesagt, sie sei zu vertrauensselig gewesen. Das ist eine hübsche Lüge.

Angela Merkel hat nach dem schwarzen Freitag der Union gesagt, sie sei zu vertrauensselig gewesen. Das ist eine hübsche Lüge. An Misstrauen mangelt es der 100-tägigen CDU-Vorsitzenden gewiss nicht. Auch nicht an Ehrgeiz. Immerhin - das ist ihren Handlungen und mehr noch ihrem häufigen Zögern anzusehen - möchte sie die erste deutsche Bundeskanzlerin werden.

Doch bevor sie das werden kann, muss sie erst Kanzlerkandidatin ihrer Partei werden. Unter diesem Aspekt hat die Bundesrats-Niederlage der Union für sie auch positive Aspekte. Friedrich Merz, der vom Rang her als kanzlerabel gelten müsste, fällt als Konkurrent aus. Seine Aura galt ohnehin als zu technokratisch, und jetzt ist er ausgerechnet dort gescheitert, wo man ihm die größte Kompetenz zumaß: in der Steuerpolitik.

Bliebe noch Edmund Stoiber, der große Mit- und Gegenspieler aus Bayern. Beim Wettrennen mit ihm hat die CDU-Vorsitzende immer ein Plus: Wenn die Union im Jahr 2002 eine Chance zur Macht bekommen sollte, dann wird Edmund Stoiber kaum behaupten können, Angela Merkel habe damit nichts zu tun. Wenn es aber ihr Verdienst ist und ihre Umfragewerte weiter so gut sein sollten, dann wäre sie als Kanzlerkandidatin von Bayern aus schwer zu verhindern. Kommt die Union nicht in Machtnähe, dann wird Stoiber nicht Kanzlerkandidat werden wollen, weil er als starker Ministerpräsident keine Niederlage erleiden darf.

Die CSU versucht derzeit, der CDU-Vorsitzenden eine Falle zu stellen, indem man sie auffordert, gegenüber den Bundesrats-Abweichlern durchzugreifen. Wohl wissend, dass sie dafür weder eine Handhabe hat noch genug Macht. Es soll also mit diesen Aufforderungen nicht darauf hingewiesen werden, wie verderbt Eberhard Diepgen ist, sondern wie schwach Merkel ist. Aber wohin soll das führen? Zu einer schwachen Vorsitzenden einer schwachen CDU? Alle Bestrebungen aus Bayern, Angela Merkel zu schaden, finden ihre Grenze darin, dass es zu ihr keine Alternative gibt und dass die CSU nicht den CDU-Vorsitzenden stellen kann.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Merkel in zwei Jahren Kanzlerkandidatin wird, ist am letzten Freitag nicht gesunken. Nur, dass die Union in absehbarer Zeit wieder in die Nähe der Macht kommen kann, diese Vorstellung scheint heute sehr weit weg. An diesem schwarzen Freitag hat sich die ganze Schwäche der Partei gezeigt. Eine Schwäche, für die auch Merkel Verantwortung trägt.

Da ist zunächst der Fall Kohl. Man hätte sich das so schön denken können: Die Spendenaffäre versinkt im Ausschuss und im Vergessen. Rechtzeitig zum 3. Oktober, dem Jahrestag der Einheit, würde das Denkmal Kohl wieder blankgeputzt und vorübergehend in die Mitte der Fraktion gestellt, Beifall und ab. Helmut Kohl hat diese Taktik durchkreuzt. Er hat sich mit seinen Auftritten vor dem Untersuchungsausschuss beschädigt. Umso deutlicher strebt er zurück in die Mitte der Fraktion - in ihr Herz. Merkel, die Hauptzuständige für die Affäre und fürs Herz, konnte diese schummrige Renaissance nicht verhindern.

Unterdessen ist der CDU ihr alter Koalitionspartner abhanden gekommen. Die FDP bewegt sich in rasantem Tempo und mit aufreizender Offenheit auf die SPD zu. Und was tut die CDU dagegen? Sie empört sich und behauptet tapfer, am Ende werde die FDP mit dem koalieren, der stärker ist. Vielleicht verhält es sich aber genau umgekehrt, und der wird am stärksten, der die meisten Machtoptionen hat. Jedenfalls hat auch Angela Merkel keinen Keil in die FDP und keinen in die liberale Wählerschaft treiben können, obwohl doch normalerweise die FDP bei einer Hinwendung zur SPD wenigstens ein paar bürgerliche Wähler verlieren müsste. Es wird einsam um die Union.

Bundesratsniederlage, Kohl-Renaissance, Partnerlosigkeit - eine beunruhigende Bilanz nach 100 Tagen. Angela Merkel hat es nicht hindern können, weil sie dem Verfall nichts Starkes entgegengesetzt hat. Das liegt an ihrer Methode. Es ist nicht von vornherein falsch, inhaltlich nur schwach konturiert zu sein. Wer sich allzu fest an eine Sache bindet, kann leicht auch mit ihr untergehen. So, als schwebendes Verfahren, kann man sich ganz gut an der Macht halten. Nur kann man so nicht gut an die Macht kommen. Angela Merkel konnte so innerhalb der CDU ganz nach oben kommen, aber die CDU nicht wieder ganz nach oben bringen.

Das neue Merkel-Motto für die CDU - Einheit in der Vielfalt - kennt man schon von den Grünen der 80er-Jahre. Damals verdeckte es die schlimmsten Strömungskämpfe. Für eine konservative Partei ist das ein geradezu absurder Wahlspruch. Merkel müsste progammatisch klarer werden, nicht variabler. Sonst wird sich der Wunsch nach schierer Kraft durchsetzen. Nach einem, der nie sagen würde, er sei vertrauensselig. Nach dem Kanzler also. Und dann auch innerparteilich: Ein Kraft-Darsteller liegt ja noch im Hinterhalt. Es ist Roland Koch, der in diesen Tagen der Niederlage in der Karibik gewartet hat. Er plant ein Comeback, bestimmt.

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