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Politik: Die Dynamik des Zweifels

BUSH,BLAIR UND DER IRAK

Von Robert von Rimscha

Es sieht nicht gut aus. In Washington tauchen täglich neue Dossiers über die Aufbauschung von Kriegsgründen auf. George W. Bushs Umfragewerte fallen. Mit versteinerter Miene muss Tony Blair zum Tod seines Beraters David Kelly Stellung nehmen. Im Irak klappt der Protest gegen die Besatzer, nicht aber die Versorgung mit Wasser und Strom oder der Übergangsrat. Und in Afghanistan robben sich die Taliban außerhalb von Kabul wieder an die Macht oder zünden zumindest Sprengsätze. Das USMilitär beginnt, Worte wie „Guerilla“ und „Vietnam“ in den Mund zu nehmen. Wird aus der Koalition der Willigen die Achse der Zermürbten? Bush-Blair: gar das Duo der Gescheiterten?

Fatal ist nicht eine isolierte Geheimdienstinformation, von der sich herausstellt, dass sie nicht stimmt. Fatal ist auch nicht ein isolierter Überfall auf US-Truppen im Irak. Fatal ist das Gesamtbild, das allmählich entsteht. Wenn gleichzeitig die Kriegsgründe und die Kriegsziele bröckeln, wenn erst fragwürdig argumentiert und dann nichts Vorzeigbares erreicht wird, dann wird es eng. 32 US-Soldaten sind zwischen dem 1. Mai, als Bush das Ende des Krieges erklärte, und dem 17. Juli bei Anschlägen getötet worden. Jeder ist ein Fragezeichen hinter der These von der Befreiung Iraks von seinem Diktator. Und jedes dieser Fragezeichen ist sichtbarer als jene ersten Umfragen aus dem Irak, die belegen, dass eine Mehrheit sich eben doch befreit fühlt.

Bush und Blair müssen sich mit der Eigendynamik des Zweifels auseinander setzen. Iraks angebliche Uran-Käufe in Niger, die Rolle italienischer Journalisten bei der Übergabe gefälschter Papiere an die US-Botschaft in Rom: All dies ist nur ein Thema, all dies funktioniert politisch nur, weil die Lage vor Ort ist, wie sie ist. Wäre der Irak auf dem Weg hin zu einer Art Türkei, würde sich in Washington niemand um die Korrektheit der offiziösen Kriegsbegründungen scheren. Wäre Afghanistan erfolgreicher befriedet, wäre die Welt gern bereit, den USA im Irak ein wenig mehr Zeit zu geben.

In Amerika ist der Protest gegen Bushs Irak-Kurs plötzlich vom Stigma des mangelnden Patriotismus befreit. Das ist begrüßenswert. Und wird prompt genutzt. Der US-Wahlkampf beginnt, jede Irak-Planung zu überlagern. Howard Dean, vor Monaten noch ein chancenloser, linker Außenseiter unter den demokratischen Herausforderern Bushs, wird plötzlich zum Darling der Studenten und zwingt die Großen unter den Aspiranten zu ebenso harscher Anti-Bush-Rhetorik. Senator John Kerry, einer der aussichtsreichen Bush-Rivalen, veröffentlicht jetzt Fotos, die ihn 1971 an der Seite von John Lennon zeigen. Die Botschaft ist simpel: Ich war immer schon für Frieden. Der Wind dreht sicht, und wer politisch etwas werden will, dreht sich mit.

Was uns das angeht? Schadenfreude angesichts der Probleme, die Bush und Blair haben, wäre jedenfalls unangebracht und politisch töricht. Wir sind keine Opfer der stümperhaften Nachkriegsplanung, die vor allem das US-Verteidigungsministerium zu verantworten hat. Es ist das irakische Volk, das es nicht verdient hat, die Eifersüchteleien zwischen Pentagon und State Department auszubaden. Es hat es auch nicht verdient, zum Opfer des amerikanischen Wahlkampfs zu werden. Und doch wird genau dies eintreten. Die US-Innenpolitik wird die zentrale Bühne sein, auf der Amerikas Truppen an Euphrat und Tigris hin- und hergeschoben werden.

Ohne Frage: Bush und Blair sind unter Druck. Vor allem Blair ist in die Defensive geraten, mehr noch, er steht mit dem Rücken zur Wand und kämpft um sein Amt. Dass auch Bush nervös wird, merkt man an seinen erratischen Äußerungen, etwa wenn er behauptet, der Krieg sei nötig gewesen, weil Saddam Hussein keine UN-Inspektoren ins Land gelassen habe. Dennoch: Zwei Drittel der US-Bürger gehen weiter davon aus, dass Bush im November 2004 wiedergewählt wird.

Es war die Macht der Bilder, die Amerika vor zehn Jahren aus Somalia abziehen ließ. Überstürzt, überhastet, ohne einen sichtbaren Erfolg beim Wiederaufbau-Versuch. Bush hatte sich auf die Fahnen geschrieben, niemals kurzfristige und umfragehörige Politik wie Bill Clinton zu betreiben. Jetzt muss er langen Atem beweisen. Nicht bei der Verteidigung fragwürdiger Kriegsrechtfertigungen. Sondern beim Aufbau Iraks.

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