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Politik: Die Europäische Union will ihre Staaten nicht mit Haider infizieren - zu Lasten Österreichs (Kommentar)

Es ist gut, dass die Regierungsbildung in Österreich die europäischen Alarmglocken auslöst, und es ist zu begrüßen, wenn die Europäische Union gemeinsam handelt. Das ist aber auch alles, was an der spektakulären Anteilnahme der EU an der Lage in ihrem Mitgliedsland Österreich positiv ist.

Es ist gut, dass die Regierungsbildung in Österreich die europäischen Alarmglocken auslöst, und es ist zu begrüßen, wenn die Europäische Union gemeinsam handelt. Das ist aber auch alles, was an der spektakulären Anteilnahme der EU an der Lage in ihrem Mitgliedsland Österreich positiv ist. Denn die großen Geschütze, die die EU gegen Wien auffährt, sind von Übel - schon weil sie vermutlich das Gegenteil dessen bewirken werden, was sie erreichen wollen. Jedenfalls spricht so gut wie nichts dafür, dass die EU-Einmischung die Österreicher dazu bewegen wird, Haider zu stoppen und die Regierungsbildung scheitern zu lassen. Stattdessen wird die EU sie ihm erst recht zutreiben.

Das dürfe, um der Sache willen, nämlich der wünschenswerten Zurückdrängung rechtsextremer Infektionsherde in Europa keine Rolle spielen? Natürlich ist unbestreitbar, dass Europapolitik längst von der Außen- zu einer Art von Innenpolitik geworden ist; die Souveränität der Staaten hat sich relativiert, und die Schutzzone ihrer inneren Angelegenheiten schmilzt dahin. Doch wenn das so ist, dann muss die EU auch innenpolitisch denken, also die Bedingungen ins Kalkül ziehen, unter denen sie handelt. Die Einmischung richtet sich, immerhin, gegen das Resultat eines demokratischen Wahlvorgangs. Sie geht von einem Bild Haiders aus, das eher die Züge eines Popanz trägt. Die Faschismus-Keule streift ihn bestenfalls, jedenfalls in Österreich. Überdies ist es mehr als eine Ungeschicklichkeit, sie sozusagen präventiv zu schwingen. Man sieht schon vor sich, wie bieder die FPÖ sich mit einem Mal geben wird, wie blamiert dann die EU dasteht - und wie Haider zur Regierung den Glorienschein der verfolgten Unschuld gratis hinzubekommt.

Auch der Umstand, dass es mit der Souveränität der EU-Staaten nicht mehr so weit her ist, macht die Einmischung nicht überzeugender. Sehen wir von der etwas peinlichen Frage ab, wie es denn mit der legitimatorischen Abstützung der Instanz beschaffen ist, die da einem Mitgliedsland Mores lehren will. Zumindest ebenso ist zu bedenken, dass dem Wahlakt gerade angesichts der geschwächten Souveränität der Mitgliedsländer ein besonders hoher Rang zukommt. Er ist fast ihr einziger, bislang unberührter Souveränitäts-Beweis - während zugleich die Demokratie die Achilles-Verse der EU ist. Falls der Druck der EU zu Neuwahlen führte: Wird sie dann in Österreich Wahlkampf führen? Sollen die Österreicher bei den nächsten Europa-Wahlen ihr Urteil über die EU loswerden? Aber solche Willensbildung reicht eben nur bis nach Straßburg. Den Ministerrat, die Kommission, erst recht die Einzelstaaten berührt sie höchstens mittelbar.

Bleibt die Wirkung der Aktion auf das werdende Europa. Dessen Integration wollen die Befürworter der Einmischung ja vor rechtsextremen Gefahren schützen. Aber denken wir uns dieses Europa nicht gerne als große Föderation, gar nach deutschem Beispiel? Dazu gehört jedoch die Respektierung ihrer Mitglieder als eigenständige, irgendwie unabhängige Staaten - auch und gerade dann, wenn ihre wirtschaftliche und politische Realität diese Eigenständigkeit nicht mehr wirklich trägt. Wird diese - nennen wir es einmal so - "Fiktion" preisgegeben, legt sich der Schatten der Hegemonie über das Bündnis. Die EU ist, gewiss doch, eine Wertegemeinschaft. Aber sie tut dieser Gemeinschaft keinen Gefallen, wenn sie sich als Schutzpatronin einer "political correctness" aufspielt.

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