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Christian Ude ist in Bayern beliebt – nicht nur wegen seiner wiederholt bewiesenen Fähigkeiten beim Oktoberfest-Anstich. Foto: rtr

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Politik: Die ewigen Zweiten im Ude-Rausch

Die SPD kürt Münchens Oberbürgermeister zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2013

Selbstgewiss grinste Christian Ude umher, ziemlich gelöst, vor allem jedoch stolz auf das, was gerade geschah. Am Freitag zur Mittagszeit drängelte sich auf dem Podium im Münchner Literaturhaus die bayerische SPD-Prominenz: In der Mitte der Landeschef Florian Pronold, daneben Ude, um sie herum sämtliche Regionalfürsten. Sogar der Nürnberger Bürgermeister war gekommen, um die neue Einigkeit zu demonstrieren. „Sie erleben heute den glücklichsten bayerischen SPD-Vorsitzenden, den es je gab“, verkündete Pronold schließlich und platzte fast vor Stolz. „Einstimmig“ habe die Partei in der zuvor abgehaltenen Vorstandssitzung den scheidenden Münchner Oberbürgermeister Ude zum Spitzenkandidaten für die Wahl des Ministerpräsidenten gekürt. Pronold mühte sich gar nicht erst, die Dimension kleinzuhalten. „Dies“, sagte er, „ist ein historischer Tag.“ Die Bedeutung der Kandidatenkür dürfte sich angesichts der Popularität Udes auch der regierenden CSU erschließen. Auch der Zeitpunkt war mit Bedacht gewählt – denn im 170 Kilometer entfernten Nürnberg hält die CSU schließlich gerade ihren Parteitag ab.

Dass sich die bayerische SPD auf Ude verständigt hat, kommt nicht überraschend. Die Kür erfolgt zu einem frühzeitigen Termin, immerhin wird erst in zwei Jahren, im Herbst 2013, im Freistaat gewählt. Ude mühte sich sogleich, dem Eindruck entgegenzutreten, dass eine frühzeitige Kür automatisch im Verschleiß des Kandidaten enden müsse. „Das ist heute kein Feuerwerk, das morgen abgebrannt sein wird“, sagte der Spitzenkandidat: „Heute ist der Beginn eines zweijährigen Crescendos, das sich bis zum Wahltermin steigern soll.“

Natürlich, für die bayerische SPD ist Ude der Hoffnungsträger schlechthin. Vielleicht der größte, den die Landespartei je hatte. Vor allem in München ist Ude ein hochbeliebter Mann, das rührt nicht nur daher, dass er beim Oktoberfest nur zwei Schläge braucht, um das erste Fass Bier anzustechen. Seit 1993 hält er die Landeshauptstadt fest in SPD-Hand, er ist ein sehr guter Redner, bekannt für seine kabarettistischen Einlagen. Unter ihm befindet sich die bayerische SPD derzeit in einer Art Ude-Rausch, geradezu vollgepumpt mit Adrenalin. Viele Genossen erleben zum ersten Mal, wie es ist, einen ernst zu nehmenden Kandidaten zu küren – nicht nur den ersten Verlierer, der gegen die übermächtigen Christsozialen ohnehin chancenlos ist.

Eine reine Liebesheirat ist es trotzdem nicht zwischen dem Kandidaten und der Landespartei. Eher ein optimistisches Zweckbündnis, wie es auch in der Bundes-SPD diskutiert wird, sollte sie den früheren Finanzminister Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten erheben. Wie Steinbrück ist auch Ude ein hochgeschätztes Parteimitglied, mit dem sich viele die größten Chancen ausrechnen. Doch Ude ist keiner, der die Parteiseele streichelt, sozialdemokratische Ideen entwickelt, an denen sich das Parteivolk laben kann. Ude ist Pragmatiker. Viele haben es ihm verübelt, dass er sich frühzeitig auf den Bau der dritten Startbahn des Münchner Flughafens festgelegt hat. Vielen missfiel auch die Art, wie er sich bereits vor Wochen quasi selbst als neuen König von Bayern ins Spiel brachte – in dem Wissen, dass es keinen aussichtsreicheren Kandidaten als ihn geben wird.

Viel ist an diesem Freitag von derlei Misstrauen nicht zu spüren. Ude hielt keine lange Rede, jedoch eine pointierte, erhielt dafür viel Applaus von seinen Parteikollegen. Er sprach von einer „großen Kraftanstrengung“, die seine SPD erwarte, soll der große Plan im Herbst 2013 tatsächlich gelingen: Gemeinsam mit den Grünen und den Freien Wählern soll dann die CSU mit Ministerpräsident Horst Seehofer abgelöst werden. An dieser Konstellation ließ Ude keinen Zweifel, sandte jedoch bereits Signale an die potenziellen Partner. So rief er die Grünen, die er in Infrastrukturfragen in dieser Woche salopp als „fundamentalistisch“ bezeichnet hatte, zu mehr Gelassenheit auf; natürlich im Wissen, dass gerade erst in Berlin eine ganze Koalition an wenigen Kilometern Autobahn gescheitert war. Noch stellen sich die Grünen vehement gegen Projekte wie die dritte Startbahn des Flughafens oder die zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke. Auch an die Freien Wähler hatte Ude eine Botschaft: Er sei „eine Stadtpflanze“, sagte er. Gerade von den Freien Wählern erhoffe er sich ein wenig „Nachhilfe in Sachen Ackerbau und Viehzucht“.

Trotz anstehender Konflikte könnte die Hochstimmung derzeit größer nicht sein. Aus Umfragen geht hervor, dass die drei Parteien gemeinsam die CSU übertrumpfen könnten; dürften die Bayern den Ministerpräsidenten direkt wählen, läge Ude derzeit sogar vor Seehofer. Ein solcher Coup war der SPD zuletzt in den fünfziger Jahren unter Ministerpräsident Wilhelm Hoegner gelungen. „Die Wechselstimmung muss nicht erst herbeigeführt werden, weil sie besteht“, erklärte Ude selbstbewusst. Sollte es bei der Wahl in zwei Jahren tatsächlich klappen, kündigte Ude bereits Einschnitte im bayerischen Bildungssystem an: „Wenn die CSU nicht auch in dieser Frage umfällt, wird die Abschaffung der Studiengebühren unsere erste Amtshandlung sein.“

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