zum Hauptinhalt

Politik: Die ganze Härte der Scharia

Berufungsgericht: Nigerianerin wird wegen Ehebruchs gesteinigt

Von Christoph Link, Nairobi

Mit dem Ruf „Allah ist groß“ begleiteten die Zuschauer im voll besetzten Gerichtssaal die Verlesung des Urteils: Die vier muslimischen Richter in Funtua, 300 Kilometer nördlich von Nigerias Hauptstadt Abuja, bestätigten das Todesurteil gegen die 30-jährige Amina Lawal. Die junge Mutter soll zu Tode gesteinigt werden, weil sie außerehelich ein Kind geboren hatte. Amina Lawal brach im Gerichtssaal in Tränen aus.

Nach der Scharia, dem islamischen Recht, gilt Geschlechtsverkehr als „außerehelich“ bei Frauen, die nicht verheiratet sind oder nach einer Scheidung nicht wieder geheiratet haben. Bei Amina Lawal hatte den Richtern als einziger Beweispunkt genügt, dass sie nach ihrer Scheidung schwanger geworden war und im Dezember 2001 die Tochter Wasila gebar. Die Erstinstanz hatte der jungen Frau zudem eine makabere Galgenfrist eingeräumt: Das Todesurteil werde erst vollstreckt, wenn das Kind ausgestillt sei, das heißt, im Januar 2004.

Die Mutter von drei Kindern, die von ihrer Unschuld überzeugt ist, hatte alle Hoffnungen in dieses Berufungsverfahren gesetzt. Sie werde sich dem Urteil beugen, hatte sie vor dem Berufungsverfahren gesagt. Die Strategie der Verteidigung ging nicht auf: Ihre Anwälte wiesen darauf hin, dass sie das Kind empfangen hatte, bevor die Scharia in Katsina eingeführt wurde. Ein Gesetz könne nicht rückwirkend angewandt werden. Die Richter folgten dieser Logik nicht.

Erste Aufgabe ihrer Anwälte wird es nun sein, sie von der Anrufung weiterer Berufungsinstanzen zu überzeugen. Ein Anwalt der Frau kündigte noch im Gerichtssaal eine weitere Berufung an. Die zum Tode Verurteilte kann den höchsten Islamischen Gerichtshof im nördlichen Bundesstaat Katsina anrufen. Außerdem steht ihr der Gang zum Obersten Verfassungsgericht in Abuja offen. Aber dieser Ausweg ist kürzlich in Katsinas Nachbarstaat Zamfara den Muslimen verbaut worden: Dort wurde das Gesetz so verschärft, dass Muslime nur noch vor islamischen Gerichten erscheinen dürfen.

Vieles deutet darauf hin, dass die Bestätigung des Urteils aus politischen Gründen erfolgte. Die islamischen Justiz- und Politikerkreise im Norden Nigerias wollen offenbar eine weitere Aufweichung des strengen Strafkatalogs der Scharia nicht hinnehmen. Der Druck des Westens und der christlich dominierten Zentralregierung in Abuja erzeugte offenbar eine Gegenreaktion. So war es gewiss kein Zufall, dass die erste Verurteilung Amina Lawals im März just an dem Tag erfolgte, als eine andere Todeskandidatin, die Nigerianerin Safiya Husaini, freigesprochen wurde. Bisher ist noch kein Steinigungsurteil ausgeführt worden.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false