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Politik: Die Grenzen des Krieges

Von Malte Lehming

Zunächst die Fakten. Mehrere hunderttausend Menschen sind seit Beginn des Bombardements auf der Flucht, sie suchen Schutz in Nachbarländern und im Ausland, allein Deutschland nimmt viele tausend auf. Eine humanitäre Katastrophe entsteht. Mindestens 34 Straßenbrücken und elf Eisenbahnbrücken werden zerstört, die Luftwaffe fliegt 36 000 Angriffe. Ein UN-Mandat gibt es nicht. Das war vor gut sieben Jahren. Damals regierte in Deutschland Rot- Grün, die Bundeswehr war dabei, der Krieg galt dem Regime in Jugoslawien, die Kosovo-Albaner sollten geschützt werden. Trotz des Elends, des Leids und der Verwüstungen gilt diese Intervention bis heute als richtig.

Nun ist es Israel, das sich wehrt. Die radikalislamische Terrororganisation Hisbollah schießt vom Libanon aus ihre Raketen bis tief ins Landesinnere. An der Berechtigung, darauf militärisch zu reagieren, zweifelt kaum jemand im Westen. Dennoch macht sich Unbehagen breit. Die israelische Kriegsmaschinerie scheint außer Rand und Band zu geraten. Libanesische Zivilisten werden zum Fliehen aufgefordert, aber ihre Infrastruktur wurde zerstört. Eine israelische Bombe trifft eine Stellung von UN-Beobachtern. Vier Menschen sterben. Offenbar kommen auch Streubomben zum Einsatz. Sind solche Taten noch verhältnismäßig?

Das Völkerrecht hat keine abschließende Antwort auf die Frage, wie sich ein legaler Krieg mit sauberen Methoden gegen eine Terrororganisation führen lässt, die sich hinter Zivilisten verschanzt, an keine Regeln hält und vom Wirtsland geduldet wird. Das Kriegsrecht wurde entwickelt, um Fehden zwischen Nationen zu begrenzen. Einige Prinzipien daraus lassen sich allerdings auf den asymmetrischen Krieg zwischen Israel und der Hisbollah übertragen.

Rache, Abschreckung, Einschüchterung, all das sind keine legitimen Motive. Leider besteht der Verdacht, dass sich Israel seit der ersten Intifada, dem bewaffneten Aufstand der Palästinenser, an diese Maxime nicht mehr immer hält. Im Kampf gegen Selbstmordattentäter scheinen Prinzipien aufgeweicht zu sein, die in allen vorherigen Kriegen, in denen Israel sich verteidigte, strikt eingehalten worden waren. Warum sollen Zivilisten heute in Beirut für etwas büßen, was von Terroristen im Südlibanon begangen wurde? Nun ist es höchst unwahrscheinlich, dass etwa der UN-Stützpunkt, wie Generalsekretär Kofi Annan leichtfertig behauptete, absichtlich von Israel angegriffen worden war. Fehler passieren in jedem Krieg. Aber wenn es stimmt, dass Israel Streubomben einsetzt, wäre das fatal. Diese Art von Waffen sollen Angst und Schrecken verbreiten, einen militärischen Nutzen haben sie nicht.

Das aber ist das oberste Gebot: Jede Aktion zur Ausschaltung einer akuten Gefahr muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem vorhersehbaren Leiden stehen, das sie verursacht. Wer nur eine vage Vermutung hegt, dass sich ein Hisbollah-Sympathisant in einem bewohnten Haus befindet, sollte dieses nicht einfach plattmachen. Eine Brücke, die überwiegend für Lebensmitteltransporte genutzt wird, ist nicht schon deshalb ein legitimes Ziel, weil der versprengte Jeep des Feindes über sie entwischen könnte. Hat das Ausmaß des Leidens nun bereits die Berechtigung für diesen Krieg unterminiert? Nein. Israel darf nicht nur, es muss sich gegen diesen Feind verteidigen. Das Gegenteil zu verlangen, wäre anmaßend. Töricht aber wäre es, den Zweck stets die Mittel heiligen zu lassen. Auch im Krieg gilt die Moral.

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