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Politik: Die Grünen: Am Puls der Basis

Ganz allmählich robben sich die Grünen an das Unvermeidbare heran. Die Partei ringt nach Worten für die Bewertung des kommenden Schlages gegen den Terrorismus.

Ganz allmählich robben sich die Grünen an das Unvermeidbare heran. Die Partei ringt nach Worten für die Bewertung des kommenden Schlages gegen den Terrorismus. Und je nachdem, ob die Worte dann passen, könnten die Grünen dem Kampf gegen bin Laden zustimmen - oder eben nicht.

Fraktionschefin Müller hat bereits in ihrer Antwort auf Kanzler Schröders Regierungserklärung davon gesprochen, der Schlag gegen den Terrorismus müsse "begrenzt, zielgerichtet und völkerrechtsgemäß" sein. Ko-Fraktionschef Schlauch hat nun Begriffe wie "angemessen", "punktuell" und "überschaubar" benutzt. Wenn Washington seinen neuen Krieg so führt, dann erspart es den Grünen viele Probleme. Dann kann die Partei mit ihren pazifistischen Wurzeln die US-Reaktion als Selbstverteidigung betrachten.

Offen reden die Grünen über Szenarien für ein Afghanistan nach der Taliban-Herrschaft. Parteichefin Roth sagte am Montag, wünschenswert wäre eine Demokratisierung "unter Einbeziehung von Gruppen oder Persönlichkeiten, die eine prominente Rolle gespielt haben". Konkret denkt man an den Ex-Monarchen. "Dem afghanischen König könnte eine integrative Rolle zukommen", meinte Roth. Ist derlei nicht Spekulation? Nein, sagt Roth, dies seien "Szenarien verantwortlicher Politik". Doch wie wird man die Taliban los? Die nötige Vorstufe für eine Demokratisierung, die Zerschlagung der Taliban-Herrschaft, geht nur mit Gewalt. Militäreinsätze aber bezeichnet Roth als "voreilige Spekulationen".

Da ist es, das Dilemma der Grünen. Sofern die Strategien gegen den Terror Verteilungsgerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Klimaschutz oder Konfliktprävention heißen, redet die Partei gern und eifrig mit. Beim Militäreinsatz hoffen die Grünen, der Kelch möge an ihnen vorübergehen. Ob sie denn am liebsten keine Anforderung von Bundeswehr-Einheiten sähe, wurde Roth am Montag gefragt. Sie lachte und schwieg.

Was an der Partei zerrt, sind weniger Flügelkämpfe zwischen links und rechts oder Fundis und Realos. Die Spaltung ist eher eine zwischen unten und oben. Deswegen bereisen die Parteichefs Roth und Kuhn, die Fraktionsbosse Müller und Schlauch und die Stars aus dem Kabinett jetzt eifrig die Kreisverbände. Wenn dort oder sogar auf Landesebene beschlossen wird, dass man diesen Krieg nicht wolle, oder zumindest der Vorbehalt formuliert wird, Deutschland solle nicht teilnehmen, so wertet dies die Parteispitze als Absage an ein Flächenbombardement, an einen Krieg gegen ein Volk.

Falls die Kriegs-Kröte der Regierungsmacht zuliebe geschluckt werden muss, wie hält man dann Basis und Wähler bei der Stange? Die Parteiführung setzt auf eine Umweg-Argumentation. Die Felder Ökologie, Bürgerrechte und Soziales würden doch völlig verwaisen, wenn die Grünen das Regieren aufgäben, argumentieren die Promis. Dies wolle die Basis nicht.

Die Spitze spielt auf Zeit. Je länger der US-Gegenschlag auf sich warten lässt, je besonnener Amerika ist, umso mehr Chancen haben die Grünen, ihre spezifische Rolle zu vermitteln. Es ist eine Rolle, die auf eine transatlantische Arbeitsteilung hinausläuft. Die Europäer, allen voran Joschka Fischer, arbeiten diplomatisch für den Frieden, die USA bereiten den Boden durch den nötigen Krieg. So scharf werden die Konturen nicht verlaufen, aber in Ansätzen hat sich schon während des Kosovo-Krieges eine ähnliche Aufgabenverteilung herausgebildet. Am Ende des Kampfes gegen den Terror stünde dann eine ur-grüne Vision: ein neuer Multilateralismus.

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