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Politik: Die heimlichen Unheimlichen

Von Axel Vornbäumen

Wenn „Bild“ nicht lügt, dann wird Horst Seehofer, Bundeslandwirtschaftsminister und CSU-Vize, im Frühsommer zum vierten Mal Vater. Es wird sein erstes außerehelich gezeugtes Kind sein – was das bevorstehende Vaterglück bereits jetzt erheblich verschattet, weil da auch ein Kreis von Menschen existieren muss, der über die Schwangerschaft von Seehofers Geliebter, eine ganz andere, eine klammheimliche Freude empfindet.

Die Bande der Heimlichtuer sitzt im Herz der CSU. Sie hat dafür gesorgt, dass das Private ins Öffentliche getragen wurde, um dort seine perfide politische Sprengkraft zu entfalten. Sie war es, die auch den Zeitpunkt und damit die Stärke der Detonation bestimmt hat. Er liegt inmitten eines bizarren, fast anachronistisch anmutenden Machtkampfs. Treffender kann deshalb das Zeugnis nicht sein als jenes, das Barbara Stamm, ebenfalls CSU-Vizechefin, ihrer eigenen Partei nun ausgestellt hat: „Jetzt sind wir wirklich im untersten Keller gelandet.“ In der Tat. Noch selten wurde dreister mit Bigotterie hantiert, wurden Gerüchte über Bande gespielt, so lange, bis größtmögliche Wirkung garantiert war.

Horst Seehofer ist diskreditiert. Ja, das ist wohl so. Aber es sind – darf man in diesem Zusammenhang sagen: gottlob? – nur die Maßstäbe der CSU, nach denen er diskreditiert ist. Diese Maßstäbe sind im Heimlichen aufgestellt und zurechtgebogen worden, das macht die Sache unheimlich. Es wirft jedoch auch ein helles Licht auf die Verbissenheit, mit der sie in München um ihre Machtanteile kämpfen, dabei die Grenzen jeglichen Anstands hinter sich lassend, bis hin zur gezielten Denunziation. Die wichtigste Gabe wird sichtbar, über die man in der CSU verfügen muss, will man in ihr etwas werden: Es ist die Heuchelei.

Nun hat die CSU ihren „Fall Seehofer“, der in Wahrheit ein „Fall CSU“ ist. Die Partei wird sich davon so schnell nicht mehr erholen, Edmund Stoiber aber überhaupt nicht mehr, unabhängig davon, wie lange sich die Endphase seiner Regentschaft hinzieht. Auf eine fast kitschig wirkende Weise gleichen sich Abschied und Anfang, rundet sich die Karriere des Ministerpräsidenten Stoiber als immerwährender Intrigantenstadl. Nur zur Erinnerung: Mitkonkurrent Theo Waigel scheiterte seinerzeit im internen Rennen um das Amt des Ministerpräsidenten an seiner damals außerehelichen Beziehung zur Skiläuferin Irene Epple.

Die Zeiten seien andere, hat Bayerns Innenminister Günther Beckstein jetzt gesagt – doch der Beweis dafür, dass dies auch für die CSU gilt, der steht noch aus. Die Partei muss sich nun fragen lassen, was ihr in all den Jahren für ihren inneren Zusammenhalt wichtiger war, die Moral oder am Ende doch eher die Doppelmoral. Sie hat darauf kein Exklusivrecht. Sie hat aber lange Zeit so getan.

Nebenbei: Es ist nicht Horst Seehofers Schuld, dass er in den Strudel einer verqueren Seitensprungdiskussion geraten ist. Gut genug aber hätte er seine Pappenheimer eigentlich kennen müssen, um zu ahnen, was da auf ihn zurollte. Und er hat ja auch mitgespielt – zu lange, wie sich jetzt herausstellt –, hat das Bild eines Familienidylls transportiert. Treu und linientreu. Geschadet hat das nicht.

Fortpflanzung spielt sich bisweilen unter Laborbedingungen ab, Politik nie. Wo die Affäre Seehofer endet, ist daher schwer abzusehen. Sie wird Gewichte verschieben im Binnenverhältnis der Union, wird Auswirkungen haben auf den Zusammenhalt der Koalition. Eigentlich ist das zu viel für eine Liebesnacht.

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