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Politik: Die IG Metall setzt bei den Lohnverhandlungen die Marke für die anderen. Wie viel wird es diesmal sein?

Ein erstes Signal über die Tarifrunde 2000 kommt am heutigen Dienstag aus Frankfurt. Der Vorstand der IG Metall beschließt die Lohnforderung für die kommenden Verhandlungen.

Ein erstes Signal über die Tarifrunde 2000 kommt am heutigen Dienstag aus Frankfurt. Der Vorstand der IG Metall beschließt die Lohnforderung für die kommenden Verhandlungen. Zwar war Klaus Zwickel am Sonntag im Kanzleramt zugegen und steht wohl hinter der jüngsten Bündnis-Erklärung. Aber dazu bedurfte es der Einvernahme durch den Kanzler Ende vergangener Woche in Hannover. Und selbst wenn Zwickel auf moderaten Kurs geht: Auch in der zentralistisch und hierarchisch organisierten IG Metall muss der Vorsitzende Rücksicht nehmen auf andere "Strömungen". Vielleicht bringt die Bündnis-Erklärung mit der Formulierung über "notwendige branchenbezogene Differenzierungen" die Tarifparteien dazu, die Republik nicht länger mit einer "Einheitslösung" zu belasten.

Etwa so wie im vergangenen Jahr. Mitte Februar, nach 30-stündigen Verhandlungen, gab es unter dem Schlichter Hans-Jochen Vogel den berühmt-berüchtigten Spruch von Böblingen: Eine Tariflohnerhöhung von 3,2 Prozent für die Metallarbeitnehmer, ferner eine Einmalzahlung (ein Prozent des Jahresgehalts) und schließlich eine Pauschale für Januar und Februar von 350 Mark. Wieder einmal hatte sich die IG Metall durchgesetzt und die Orientierungsmarke für alle anderen Wirtschaftsbereiche geschaffen. Die Abschlüsse lagen in den meisten Branchen bei gut drei Prozent.

Die Arbeitgeber haben selbstverständlich schwer darüber geklagt. Zum Beispiel der Maschinenbau. Nach Angaben des Branchenverband belastet die letztjährige Lohnerhöhung die deutschen Maschinenbauer mit rund 3,5 Milliarden Mark - unterstellt, dass alle Unternehmen auch tatsächlich Tariflöhne zahlen. Doch davon kann keine Rede sein: Schätzungsweise die Hälfte der Firmen gehört keinem Arbeitgeberverband an und ist also nicht zur Zahlung der Tarife verpflichtet. Vor diesem Hintergrund finden im übrigen sei Jahren die Tarifauseinandersetzungen statt: Immer mehr Firmen verlassen die Verbände und sind nicht mehr tarifgebunden. Dieser Erosion des Flächentarifs haben die Tarifparteien bislang nicht viel entgegenzusetzen gewusst.

Die Arbeitgeberverbände wollen im Wesentlichen zwei Dinge: Geringe Lohnzuwächse und mehr Flexibilität bei den Löhnen. Zum Beispiel, indem die Höhe des Weihnachtsgeldes an die Ertragslage der Unternehmen gekoppelt ist; das ist insbesondere mit der IG Metall in absehbarer Zeit nicht zu machen. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall hat Mitte Dezember, aus Angst vor "falschen Manövern, die zum Schiffbruch führen könnten" so genannte Positionslichter für den Tarifstreit gesetzt: Vorgeschlagen wird eine "faire" Lohnerhöhung, mit der die Preissteigerung ausgeglichen wird. Das wären 1,5 Prozent.

Das Einfädeln des jüngsten Bündnis-Deals lässt hoffen: Kanzler Schröder hat bei der Vorbereitung des Spitzentreffens am Sonntag vor allem mit Zwickel und Stumpfe verhandelt und dabei die Kompromisslinie festgezurrt; Zwickel und Stumpfe sind schließlich die beiden Spitzenfunktionäre, die für die deutsche Tariflandschaft die größte Verantwortung tragen. Von Vorteil dürfte die Bewegungsfreiheit der Beiden sein: Sowohl Zwickel als auch Stumpfe befinden sich in der letzten Amtsperiode, müssen nicht mehr wiedergewählt werden.

Nach dem Theater um die Rente mit 60 ist wohl allen Beteiligten klar, dass die IG Metall in welcher Form auch immer einen vorzeitigen Ruhestand haben will. Aber es gibt einen gravierenden Unterschied: Die IG Metall will zur Finanzierung der Frührente einen Tariffonds einrichten, der sich aus Teilen der Lohnerhöhung speist. Gesamtmetall nennt das Instrument Betriebsfonds: Die Tarifparteien verständigen sich auf eine Lohnerhöhung um drei Prozent, davon wird ein Prozent als Lohnzuschlag den Beschäftigten draufgelegt. Über die Verwendung der restlichen zwei Prozent können die Betriebsparteien entscheiden; ein Teil des Geldes fließt in die betriebliche Altersvorsorge der jungen Beschäftigten, mit einem anderen Teil wird der vorzeitige Ruhestand finanziert.

Von vermeintlich unmäßigen Lohnforderungen, wie sie die IG Metall am heutigen Dienstag vorlegen wird, sollte man sich nicht sonderlich schrecken lassen. Nach den Erfahrungen bleiben von einer Lohnforderung knapp zwei Drittel als Ergebnis übrig.

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