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Politik: „Die Kanzlerin hat Angst vor Konservativen“

SPD-Generalsekretär kritisiert CDU-Plan für Betreuungsgeld / Gemischte Erfahrungen in Thüringen

Von
  • Hans Monath
  • Matthias Schlegel

Berlin - Das vom CDU-Parteitag beschlossene Betreuungsgeld stößt bei SPD, FDP und Grünen auf scharfe Kritik. „Der CDU-Parteitag zeigt einmal mehr, dass die CDU in der Familienpolitik zwar modern redet, aber letztlich an überkommenen Strukturen klebt“, sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil dem Tagesspiegel. Die CDU sei in der Familienpolitik „weder nah bei den Menschen noch auf der Höhe der Zeit“. Mit Blick auf das Engagement von CDU-Parteichefin Angela Merkel für die neue Leistung meinte er: „Frau Merkel hat offensichtlich aus Angst vor den konservativen Männern in der CDU die Frauen in der Union hängen lassen.“ Es sei allgemein bekannt, dass auch CDU-Familienministerin Leyen das Betreuungsgeld für falsch halte.

Der Parteitag hatte am Montag gegen den Widerstand der Frauenunion beschlossen, das Betreuungsgeld in das CDU-Grundsatzprogramm aufzunehmen. Im Ausgleich für die Finanzierung neuer Krippenplätze sollen Eltern Geld erhalten, die ihre Kinder zu Hause erziehen.

Die FDP-Familienpolitikerin Ina Lenke sagte, der Beschluss sei „ein echter Rückschritt“. Es könne nicht sichergestellt werden, dass dieses Geld wirklich bei den Kindern ankomme. Grünen-Chefin Claudia Roth warf Merkel einen „Kotau vor den Ultrakonservativen in ihrer Partei“ vor.

Das Land Thüringen macht vor, wie das mit dem Betreuungsgeld funktionieren soll. Alle Eltern erhalten dort seit 1. Juli 2006 für das dritte Lebensjahr des Nachwuchses monatlich 150 Euro Erziehungsgeld für das erste, 200 Euro für das zweite, 250 Euro für das dritte und 300 Euro für jedes weitere Kind – unabhängig von Einkommen und Berufstätigkeit der Eltern. Die Familie kann selbst entscheiden: Wenn sie ihr Kind neun Stunden lang täglich in der Kita betreuen lässt, kriegt die Einrichtung das gesamte Geld. Bleibt das Kind zu Hause, bleibt auch das Geld im Familienhaushalt. Gesplittet wird die Summe, wenn das Kind nur einen Teil des Tages im Kindergarten verbringt.

Diese Praxis ist höchst umstritten. Die Initiatoren eines Volksbegehrens wollen die Thüringer „Familienoffensive“, für die Regierungschef Dieter Althaus (CDU) jüngst einen Preis des bundesweiten „Familiennetzwerks“ erhielt, kippen. Die Landesregierung hat das basisdemokratische Verfahren mit einer Klage beim Landesverfassungsgericht zunächst gestoppt – am heutigen Donnerstag soll dort über die Zulässigkeit entschieden werden. Thüringens SPD-Landes- und Fraktionschef Christoph Matschie kritisiert, dass die Landesregierung die Zuschüsse für Kindergärten um fast ein Drittel gekürzt habe. In der Folge davon seien in vielen Einrichtungen die Elternbeiträge erhöht worden. „In einer Zeit, da überall größerer Wert auf die frühkindliche Entwicklung gelegt und in diese Phase investiert wird, geht Thüringen den umgekehrten Weg und gibt weniger Geld dafür aus“, sagte Matschie dem Tagesspiegel.

Das Landeserziehungsgeld bewirke, dass gerade sozial schwache Familien, deren Kinder eine qualitativ hochwertige Betreuung besonders nötig hätten, lieber das Geld behielten, sagte Matschie. Viele Kitas und Wohlfahrtsverbände bestätigten dies. Die Zahl der Kitakinder zwischen zwei und drei sei um sechs Prozent zurückgegangen, während sie in anderen Altersgruppen steige. Deshalb kann Matschie auch den Plänen für ein Betreuungsgeld auf Bundesebene nichts abgewinnen: „Ich bin gern bereit, Familien besser zu fördern. Aber eine Kopplung nach dem Motto ,Ihr kriegt Geld, wenn ihr das Kind nicht in eine Kita bringt‘ ist verheerend. Damit verbauen wir uns Chancen.“ Pisa habe gezeigt, dass die Bildungschancen der Kinder stark von der sozialen Herkunft abhingen.

Die Landesregierung steht indes fest hinter ihrem Familienkonzept. Die Eltern gingen „sehr verantwortungsbewusst mit ihrer Wahlfreiheit um“, wird Sozialminister Klaus Zeh (CDU) nicht müde zu betonen. Und: Wer Kinderarmut bekämpfen wolle, müsse für das Thüringer Modell sein. Denn die Zuwendung werde nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet.

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