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Politik: Die Kunst, einen Kanzler glänzen zu lassen

Wie Redenschreiber Regierungserklärungen verfassen

Konrad Adenauer tippte seine erste Regierungserklärung noch allein zu Haus auf der Schreibmaschine, in der Nacht vor der Präsentation. Inzwischen sind ganze Bataillone von professionellen Regierungserklärern mit dem Redenschreiben befasst. Aber sind sie dadurch besser geworden? Vier Redenschreiber für vier Kanzler hatten sich am Donnerstag in Berlin zur Präsentation eines Buches eingefunden, in dem die „großen Regierungserklärungen von Adenauer bis Schröder“ analysiert werden. Entgegen der Verheißung des Buchtitels aber waren sich die Verfasser schnell einig, dass die großen Reden nie die Regierungserklärungen waren. Sie seien fast immer „recht monoton vorgetragene Reden“ und erinnerten oft an die Präsentation „langweiliger Warenhauskataloge“, hat der Politologe und Buchherausgeber Karl-Rudolf Korte herausgefunden . Insofern steht die eine Woche alte Regierungserklärung Gerhard Schröders ganz in der gähnenden Tradition seiner Vorgänger.

Regierungserklärungen könnten gar nicht zur großen Rede reifen, weil das Korsett viel zu eng sei, sagt der frühe Kohl-Ghostwriter Stephan Eisel. Die Knüllerreden habe sein Boss eher spontan gehalten: vor Hunderttausend Dresdnern im Dezember 1989 etwa, kurz nach dem Mauerfall. Manuskriptfrei. Reinhard Hesse, Schröders Mann für schöne Reden, nennt des Kanzlers Außenpolitikrede im Nachhall des 11. September.

Die Arbeit an den Erklärungen habe immer im Gespräch mit Willy Brandt selbst begonnen, berichtet dessen Schreiber Klaus Harpprecht. „Die Hölle“ sei jedoch gewesen, die Entwürfe der Ministerien einzuflechten. Diese hätten sich einen Wettstreit um „die unverständlichste und sprachlich verknautschteste Vorlage“ geliefert. Gewonnen habe meistens das Bildungsministerium. Und daraus mussten Harpprecht und Kollegen dann den großen Wurf zaubern, eine Rede, die alle Einzelpunkte zusammenbindet und der Regierung ein unverkennbares Signum verleiht. Gelungen sei dies selten. Zudem müssen die Worte und ihre Wirkung natürlich zu dem Kopf passen, aus dem sie fließen – da waren sich alle Profisouffleure einig. Wenn er seinem Chef Helmut Schmidt etwas von Kohls „geistig-moralischer Erneuerung“ ins Manuskript getippt hätte, sagt Armin Halle, dann hätte Schmidt sicher gemault: „Armin, tu mal das Quallenfett raus.“ Sprich: ein bisschen weniger Pathos, ein wenig weniger abgehoben bitte!

Doch egal wie sehr sich die Redenschreiber auch bemühen: Als Gradmesser für den Glanz einer ganzen Kanzlerschaft taugte die Regierungserklärung bisher nie. Schließlich war die Erklärung Ludwig Erhards 1965 eine der gefeiertsten Reden der Parlamentsgeschichte, während Kohls Antrittsrede vernichtende Kritiken erhielt. Doch Erhard schied ein Jahr später aus dem Amt, für Kohl war es der Startschuss für 16 Jahre. So gesehen muss der Kritikhagel an Schröders jüngster Erklärung vielleicht als Hinweis auf viele weitere Jahre im Amt verstanden werden.

Markus Feldenkirchen

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