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Politik: Die Macht der Suggestion

UNION UND REFORMEN

Von Tissy Bruns

Die Opposition darf schummeln und mit gesundem Opportunismus an die Wähler denken, wenn es um harte Zahlen und schwierige Vorschläge geht. Jedenfalls in Maßen. Wenn die Opposition allerdings CDU oder CSU heißt, dann sind die Spielräume für diese kleinen Vorrechte sehr klein. Was ist da los? Eine schwache Regierung tritt mit dem brisanten Thema Gesundheit vor das Volk. Aber die Debatte fliegt nicht ihr um die Ohren, sondern der Union, die doch vor Kraft kaum laufen kann.

Eine schlimme Woche für CDU und CSU. Zank, Streit, Führungsschwäche. Der Konflikt um den Sozialpolitiker Seehofer zählt zu den seltenen Gelegenheiten, bei denen die Politik auf grell erleuchteter Bühne ein menschliches Drama offenbart. Hier ist jemand an eine Grenze gestoßen, die er nicht überschreiten kann. Daraus müssen auch ganz unpolitische Betrachter den Schluss ziehen, dass es in der Union um ernste Sachen geht. Seehofer kann und will dahin nicht mit, wohin CDU und CSU sich aufmachen. Wohin sie wollen, erkennt man nicht, es scheint sich um Neuland zu handeln.

Auch bei den Steuern hat es die christliche Opposition in dieser Woche voll erwischt. Vielstimmigkeit bei der Union, die bisher Steuererleichterungen gefordert hat, als die Regierung diesen Vorschlag macht. Der Befund muss alle schwer beunruhigen, die in und mit CDU oder CSU etwas wollen: Sie zeigt Unsicherheiten, die starke Union, in diesen harten Zeiten. Da wiederholt sich ein unangenehm vertrautes Muster. Als es im Wahljahr um Krieg und Flut ging, zeigte der starke Kanzlerkandidat Stoiber Unsicherheiten, und der sicher geglaubte Wahlsieg war verspielt.

Die Union ist in keiner Weise gewappnet, wenn der Bundeskanzler sich jetzt anschickt, den schwarzen Peter für die Finanzierung der Steuererleichterungen in den Bundesrat zu schieben. Denn die Union ist eben nicht nur eine üppig ausgestattete Opposition im Bundestag, die in aller Ruhe darauf warten kann, dass die schwachen Koalitionsparteien ihre eigene Mehrheit einmal nicht zustande bekommen. In Wahrheit regiert sie mit. Weil sie im Bundesrat so stark ist, stehen ihr die kleinen Vorrechte der Opposition nicht zu. Sie wird ihren Teil der Verantwortung übernehmen müssen.

In den Unsicherheiten dieser Woche haben sich alle Schwächen der Union auf einmal enthüllt. Da ist der Übermut der BeinahWahlsieger, die sich als Regierung im Wartestand fühlen. Die Macht- Rivalitäten der potenziellen Kanzlerkandidaten Merkel und Koch und des bayerischen Ministerpräsidenten, der um die Landtagswahl und seinen bundespolitischen Einfluss kämpft. Die nicht beantwortete Frage, ob man jeden politischen Erfolg der Bundesregierung über den Bundesrat blockiert und auf diese Weise ihr vorzeitiges Ende herbeiführt. Oder ob Kooperation den größeren politischen Zugewinn verspricht.

Alles taktische Fragen. Und das sind Fragen, die den Bürgern immer weniger gefallen, je mehr ihnen die Reformen auf den Leib rücken, die gerade die Union der Bundesregierung pausenlos und lautstark abverlangt. Gerhard Schröder hat es der Union nach seinem knappen Wahlsieg lange leicht gemacht. So leicht, dass die Union selbst an ihre Wähler-Suggestion glaubt, sie sei gerüstet für den Reformprozess. Sie war es im Wahlkampf nicht und ist es jetzt nicht. Der Unterschied ist bloß: Jetzt fällt es auf. Warum? Drei Monate hat sich die Volkspartei SPD unter Qualen zum Neuland aufgemacht. Auch wer nicht glaubt, dass sie das packen kann, sieht doch: Sie meint es ernst. Mit unbequemen Reformen. Die Union meint es auch ernst. Aber wohl nur mit ihrer Rückkehr zur Macht. Das ist zu wenig, in diesen harten Zeiten.

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