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Esther,12, weiß, was sie will: Raus aus dem Slum!

© Beatrix Schnippenkoetter

Überleben in Afrika: "Die meisten Kinder im Slum sind stark"

Esther, 12, lebt in Kibera, einem Slum in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Ihre einzige Chance, dem Elend zu entkommen, ist Bildung.

Esther erzählt: Ich lebe in einem kleinen Haus aus Lehm. Wir haben Strom, aber kein fließendes Wasser, das holen wir in Kanistern an einer Wasserstelle. Wir waschen unsere Wäsche in Plastikeimern vor der Tür. Mein kleiner Bruder Martel, neun, und ich wohnen bei unserer Tante. Sie und ihr Mann haben vier Kinder, wir sind also acht Personen in zwei Räumen. Martel und ich schlafen auf dem Boden. Meine Eltern sind an Aids gestorben, als ich klein war, ich kann mich an sie nicht erinnern. Ich bin froh, dass mein Onkel und meine Tante uns aufgenommen haben. Er ist Koch und sie arbeitet als Wäscherin.

Was siehst du, wenn du aus deinem Fenster schaust?

Unser Haus hat kein Fenster, nur eine Tür. Draußen ist überall Müll, es gibt keine Müllabfuhr, und  die kleinen Wege zwischen den Hütten sind ganz matschig, wenn es regnet. Hier in Kibera leben fast eine Millionen Menschen, ganz viele davon sind Kinder, und sie sind froh, wenn sie in die Schule gehen können.

Wo ist dein Lieblingsplatz?

In der Schule, da kann ich lesen und lernen. Zu Hause haben wir keine Bücher. Meine Schulbücher teile ich mit meinen Klassenkameraden, weil es nicht genug davon gibt. Wir sind 45 Kinder in einem kleinen Raum aus Wellblech. Ich stehe morgens um halb sechs auf und gehe mit meinem Bruder an den Bahngleisen entlang in die Schule. Um sieben beginnt der Unterricht, er geht bis drei, manchmal auch fünf Uhr nachmittags.

Gekocht wird auf einem Gaskocher.

© Beatrix Schnippenkoetter

Was machst du am liebsten?

Lesen und tanzen, aber ich habe wenig Zeit dafür. Wenn ich von der Schule nach Hause komme, helfe ich meiner Tante beim Wäschewaschen, Kochen und Saubermachen. Wir kochen auf einem kleinen Kocher auf dem Boden. Ich räume gerne auf, weil es mich entspannt, wenn alles möglichst sauber ist.

Was war der schönste Moment letzte Woche?

Als ich erfahren habe, dass ich die Drittbeste in meiner Klasse bin. Ich hoffe, dass ich in zwei Jahren auf die Oberschule gehen kann, weil ich Ärztin werden und Menschen helfen möchte.

Wenn du einen Safe hättest, was würdest du aufbewahren?

Meine Tagebücher, in denen ich aufschreibe, was so passiert. Und ein Foto von meinem Onkel, den ich kaum sehe, weil er so viel arbeitet.

 

Was macht dich glücklich?

Dass ich in die Schule gehen kann. Hier geht nur jedes zweite Kind in die Schule, weil die meisten Eltern das Schulgeld nicht bezahlen können. Viele Kinder sammeln Flaschen ein und versuchen sie zu verkaufen, um ihr Schulgeld aufzubringen.

 

Wo willst du in zehn Jahren sein?

In Deutschland. Das ist mein Traumland, weil es da gute Häuser und hilfsbereite Menschen gibt. Ich stelle mir Deutschland immer hell und glänzend vor.

Wenn du morgen einen Ausflug machen könntest, wo würdest du hingehen?

Ins Naturkundemuseum, da bin ich noch nie gewesen. Ich möchte das Dinosaurierskelett sehen und den Schlangenpark besuchen.

Wenn du ein Tier sein könntest, welches wäre das?

Eine Eule, weil das ein weises Tier ist. Ich wäre auch gerne weise und wüsste gerne, was im Leben richtig und falsch ist.

Wenn du genug Geld hättest, was würdest du kaufen?

Ein großes Haus für uns mit sieben Zimmern. Und ich würde anderen Kindern in Kibera helfen.

 

Wovor fürchtest du dich?

Vor Warzenschweinen, das sind die hässlichsten Tiere der Welt. Und vor Nacktschnecken, die sehen aus wie Schlangen, aber wenn es regnet, werden sie ganz schleimig.

Was magst du gar nicht?

Versager. Wenn du etwas nicht schaffst, wirst du ausgelacht, und alle denken, du bist blöd.

Esther vor ihrer Hütte im Slum.

© Beatrix Schnippenkoetter

Was war der peinlichste Moment für dich?

Als ich zum ersten Mal ein Flugzeug gesehen habe. Ich dachte, Flugzeuge haben Flügel wie Vögel, und als wir mit der Schule den Flughafen besucht haben, habe ich gefragt, wo denn die Flügel an den Flugzeugen sind? Da haben mich alle ausgelacht.

 

Worüber hast du dich in letzter Zeit am meisten gefreut?

Über unseren Schulausflug in den Nationalpark letztes Jahr, da habe ich zum ersten Mal einen Löwen und Hyänen gesehen. Und über den Kunstunterricht von One Fine Day an unserer Schule. Das macht Spaß und bringt uns weiter.

Was brauchst du am meisten?

Eine gute Ausbildung, damit ich eine bessere Zukunft haben kann.

Was würdest du gerne an der Welt ändern?

Es sollte besser für Arme und für Waisenkinder gesorgt werden. 

Wenn du Gott eine Frage stellen könntest, welche wäre das?

Warum sind manche Menschen immer reich und andere immer arm?

Was isst du am liebsten?

Ugali, das ist Brei aus Maismehl, mit Fisch.

 

Müll wird in Kibera nicht abtransportiert, es gibt keine Kanalisation.

© Beatrix Schnippenkoetter

Was gefällt dir nicht an Kibera?

Der ganze Müll und dass der Bach verseucht ist. Früher konnte man darin baden. Wenn kleine Kinder heute daraus trinken, werden sie krank und sterben.

Was gefällt dir an Kibera?

Die meisten Kinder hier sind stark, sie sind auf sich allein gestellt und halten an ihren Träumen fest.

Kibera war ursprünglich ein Wald, dann entstand hier ein Dorf mit kleinen Hütten. Vor 50 Jahren war das Wasser noch sauber, es gab ausreichend Toiletten und Waschräume. Ungefähr 15 000 Menschen lebten in Kibera, inzwischen sind es beinah eine Million. Müll und Abwasser werden nicht abtransportiert, deshalb sieht es inzwischen wie auf einer riesigen Müllhalde aus. Es leben viel zu viele Menschen hier, und es werden immer mehr, weil die Arbeitslosigkeit in Kenia wächst und dies der einzige Ort für die vielen Armen ist, wo sie überhaupt überleben können.

Es wimmelt in Kibera von Kindern, die im Dreck spielen und verseuchtes Wasser trinken. Ihre einzige Chance, einmal aus dem Elend herauszukommen, ist Bildung. Aber Schulen, Schuluniformen und Prüfungen kosten Geld, etwa zwei Euro im Monat – das können sich die wenigsten leisten.

In den Kursen, die One Fine Day – Anno´s Africa in den Schulen von Kibera anbieten, können Kinder malen, tanzen, Musik machen, Theater spielen, basteln und Akrobaten sein. All das gibt es in den Schulen nicht, wo den ganzen Tag nur gepaukt wird. Die meisten Kinder arbeiten, wenn sie nach einem langen Schultag nach Hause kommen, helfen beim Kochen und Waschen. Es gibt wenig Zeit und Platz zum Spielen. In den Kursen können die Kinder ihre Talente entdecken, sie werden gefördert und geschult. Sie bekommen ein Gefühl für sich selber, für ihre Fähigkeiten, und damit eine Aussicht auf ein besseres Leben. Und nicht zuletzt: Sie haben sehr viel Spaß!

Beatrix Schnippenkoetter

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