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Gehört auch zu Ditib: Die Sehitlik-Moschee in Berlin.

© Rainer Jensen/dpa

Kein Wort zu Erdogans "Säuberungen": Die Moschee-Verbände vertiefen die Gräben

Nach dem gescheiterten Putsch schlagen sich die Moschee-Verbände in Deutschland auf die Seite des türkischen Präsidenten. Und doch muss die Politik mit Ditib im Gespräch bleiben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia Keller

Es hat über eine Woche gedauert, bis sich die vier Islam-Verbände mit türkischen Wurzeln gemeinsam zum Putschversuch in der Türkei äußerten. Die Moschee-Dachverbände Ditib, Atib, Milli Görüs und der Verband der Islamischen Kulturzentren hatten also viel Zeit, um ihre Worte abzuwägen und sich die Konsequenzen auszumalen. Was dabei herausgekommen ist, liest sich wie ein Bewerbungsschreiben für den Posten des Pressesprechers von Recep Tayyip Erdogan.

Die Erklärung ist nicht zu rechtfertigen

Vom „Demokratietriumph des türkischen Volkes“ ist in der Erklärung zu lesen, das Volk habe „einen für die Welt vorbildhaften Widerstand geleistet, damit unsere Demokratie keiner Unterbrechung unterworfen wird, die stabile Türkei nicht von einer Herrschaft dunkler Mächte unterjocht wird“. Der Stolz auf die Entwicklung in der Türkei geht einher mit Kritik am Westen. Die „europäische Presse“ würdige den „Demokratietriumph“ in der Türkei nicht richtig und lenke die Aufmerksamkeit „woandershin“. In etwas abgeänderter Form wurde die Erklärung vergangenen Freitag auch in allen Ditib-Moscheen verlesen.

Sicher, in Deutschland ist es schwer zu verstehen, wie groß die Angst vieler Türken vor einem Putsch ist. Doch die Erklärung von Ditib, Atib, Milli Görüs und VIKZ ist nicht zu rechtfertigen. Mit keinem Wort gehen die Verbände darauf ein, was sich seit der Niederschlagung des Putsches in der Türkei abspielt. Sie erwähnen nicht die tausenden entlassenen Richter, Beamten und Polizisten. Nicht die geschlossenen Universitäten und Schulen, nicht die Ausreiseverbote für Wissenschaftler, nicht die tausenden verhafteten Oppositionellen und Journalisten.

Als müssten die Verbandsvertreter sicherstellen, dass auch wirklich kein Blatt zwischen sie und Erdogan passt, fordern sie, dass der „innere Wohlstand“ und der „Frieden“ in der Türkei „noch stärker und nachhaltiger gewährleistet werden“. Der Satz liest sich wie die Rechtfertigung weiterer Repressalien. Geht’s noch?

Sie sprechen von "unserem Volk" - und meinen die Türkei

Seit Monaten werfen Politiker aller Parteien Ditib vor, der „verlängerte Arm Erdogans“ zu sein und warnen davor, mit dem Verband weiter über den Islamunterricht an deutschen Schulen zu verhandeln. Ditib-Vertreter haben die Anschuldigungen stets empört zurückgewiesen. Nach der Erklärung von Montag muss man zu Recht fragen, wie vertrauenswürdig und verlässlich Verbände sind, die von „unserem Volk“ sprechen und die Türkei meinen, die nicht mal einen Hauch von Kritik an den dortigen Entwicklungen äußern und womöglich eine Diktatur gutheißen würden.

Indem sie sich vollständig auf Erdogans Seite schlagen, vertiefen die Islamvertreter die Gräben innerhalb der deutschtürkischen Gemeinschaft und zur Mehrheitsgesellschaft, anstatt zu versöhnen, wie es die Aufgabe von Religionsvertretern sein sollte. Noch mehr: Sie instrumentalisieren die Religion für nationalistische Zwecke und machen sich unglaubwürdig.

Und doch muss die Politik mit den Verbänden im Gespräch bleiben. Die Verhandlungen etwa über Staatsverträge sind ein wichtiges Instrument der Bundesländer, um Druck auszuüben, damit sich Ditib von der Türkei löst. Die Gespräche werden noch mühsamer werden, als sie ohnehin schon sind. Doch sie abzubrechen, würde die Spirale der Anfeindungen weiter drehen. Das wäre keine gute Alternative.

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