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Politik: Die Multikulti-Armee

Die regulären libanesischen Streitkräfte sollen für Ruhe und Ordnung im Süden sorgen – und sind doch schon jetzt überfordert

Hauptaufgabe der libanesischen Armee war bisher gemäß ihrer eigenen Definition die Verteidigung gegen die „andauernde Aggression in Südlibanon“ durch Israel. Doch von den fünf regionalen Kommandos – Nordlibanon, Bekaa-Hochebene, Beirut, Libanon-Gebirge und Südlibanon – war eines seit den Bürgerkriegsjahren praktisch untätig: das den Israelis gegenüberliegende südliche.

Nun soll das also anders werden: 15000 libanesische Soldaten, ein Viertel der gesamten Armee, sollen im Landessüden, in der grenznahen Region, Stellung beziehen, zusammen mit einer etwa gleich großen Unifil-Truppe.

Aus 18 Bevölkerungsgruppen besteht die libanesische Bevölkerung, gegliedert nach Religionen und Konfessionen, ethnischen und kulturellen Zugehörigkeiten. Aus genauso viel Gemeinschaften setzt sich die 60 000-Mann-Armee zusammen – wahrhaft eine Multikulti-Truppe.

Und genauso wie in der Politik gilt auch für die Armeeführung ein ethnisch-religiöser Schlüssel bei der Ämterverteilung. Der Oberkommandierende General Michel Sulaiman ist – genauso wie der Staatspräsident – maronitischer Christ; die Nummer zwei in der Hierarchie, Generalmajor Shawki al Masri, ist Druse. Die große Masse der Soldaten ist somit in der obersten Führung nicht repräsentiert: Ein Drittel aller Uniformierten wird von den Schiiten gestellt, was etwa deren Bevölkerungsanteil entspricht, sich aber bei Konfrontationen mit der ebenfalls schiitischen Hisbollah als höchst problematisch erweisen könnte. Ein Viertel sind sunnitische Muslime, ein Fünftel Christen – vor allem Maroniten –, etwas weniger Drusen. Der große Rest entstammt vielen kleineren Gruppierungen.

Zweite Hauptaufgabe der Armee sei, die Einheit des Staates zu wahren, heißt es offiziell. Doch das hat sie seit ihrer Gründung 1945 nie geschafft. Wie denn auch – total unterbewaffnet und stets den Milizen der Interessengruppen unterlegen. Vor und während des letzten Bürgerkrieges in den 80er Jahren besaß jede politische Partei eine eigene Miliz.

Seither sind zwar einige Jahre vergangen, die Lage und das Ansehen der Armee haben sich aber kaum verbessert. Sie Streitkräfte zu nennen, wäre vollkommen überzogen. Syrien, die USA, Frankreich, Großbritannien und andere „befreundete Staaten“ werden offiziell in dieser Reihenfolge als Waffenspender genannt. 100 altehrwürdige Patton-Panzer, ein Geschenk aus Jordanien, 200 russische T-55, 750 Schützenpanzer, „3000 taktische Fahrzeuge“, was immer sich hinter diesem Begriff verbergen mag, 27 Brückenboote und ein paar Dutzend Artilleriegeschütze – mit dieser Ausrüstung sollen die Bodentruppen demnächst die hochmotivierten und gut ausgebildeten Hisbollah-Kämpfer im Schach halten – was der ihnen an Mannschaftsstärke und Bewaffnung weit überlegenen israelischen Armee in diesen Tagen kaum gelingt.

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