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DIE NACHT IM KANZLERAMT: Behandelt, entschieden, weitergereicht und vertagt

Beschlüsse hat die Koalitionsrunde in den meisten Streitfragen nicht gefällt; das soll der nächsten Runde am kommenden Montag vorbehalten bleiben. Anders als der Schlachtenlärm der letzten Tage erwarten ließ, hat das Treffen der Koalitionsspitzen am Sonntag im Kanzleramt aber eine Reihe von Vorfestlegungen getroffen, die praktische Wege zu Lösungen aufzeigen.

Beschlüsse hat die Koalitionsrunde in den meisten Streitfragen nicht gefällt; das soll der nächsten Runde am kommenden Montag vorbehalten bleiben. Anders als der Schlachtenlärm der letzten Tage erwarten ließ, hat das Treffen der Koalitionsspitzen am Sonntag im Kanzleramt aber eine Reihe von Vorfestlegungen getroffen, die praktische Wege zu Lösungen aufzeigen.

Festgelegt haben sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD bei der Pendlerpauschale: Die Kürzung wird nicht zurückgenommen, solange das Verfassungsgericht es nicht befiehlt. Allerdings gelten alle Steuerbescheide bis zum Spruch aus Karlsruhe in diesem Punkt nur vorläufig.

Einer Auflösung nahe ist auch der Zank um den Mindestlohn bei der Post. Die SPD hat der Union zugestanden, dass der vorliegende Tarifvertrag zwischen Post AG und Gewerkschaft Verdi zu weit geht, weil er nach dem Wortlaut der Vereinbarung auch gelegentliche Briefzusteller wie Taxifahrer oder Zeitungsboten umfasst. Sollten die Tarifpartner nicht bereit sein, den Vertrag nachträglich auf hauptberufliche Zusteller einzugrenzen, will die Koalition den Post-Mindestlohn selbst per Gesetz einschränken. Bekräftigt wurde, dass der Fall des Briefmonopols und die Einführung des Mindestlohns zeitgleich erfolgen müssen. Das soll zum 1. Januar 2008 dadurch ermöglicht werden, dass die Länder im Bundesrat auf Fristen bestehen. Zugleich haben beide Seiten verabredet, dass die privaten Konkurrenten wie die Post von der Mehrwertsteuer befreit werden können, wenn sie einzeln oder im Verbund in Deutschland flächendeckend tätig sind.

Verhärtet geblieben sind die Fronten bei der Bahn-Privatisierung. Die Union lehnt die Forderung des SPD-Parteitags nach stimmrechtslosen „Volksaktien“ kategorisch ab. Ob unter diesen Umständen überhaupt noch Bereiche für eine Teilprivatisierung verbleiben oder das Projekt für diese Wahlperiode beerdigt wird, soll bis nächsten Montag eine Arbeitsgruppe der Minister Thomas de Maizière (Kanzleramt, CDU), Peer Steinbrück (Finanzen, SPD) und Wolfgang Tiefensee (Verkehr, SPD) ausloten. Über zusätzliche Bundeshilfen an die Bahn für den Fall, dass der Börsengang vorerst scheitert, wurde in der Runde nicht gesprochen. Angesichts der allseitigen Schwüre auf die Haushaltskonsolidierung sind solche Zuschüsse unwahrscheinlich.

Bei der Verlängerung des Arbeitslosengelds I für Ältere waren sich im Prinzip schon vor dem Treffen beide Seiten einig – kurioserweise könnte sich dieses Projekt im Detail noch als das vergleichsweise schwierigste aus dem Themenstrauß vom Sonntagabend erweisen. Zwar haben beide Seiten abgesprochen, den augenfälligsten Unterschied zwischen CDU- und SPD-Modell nicht zur Prinzipienfrage zu machen – ob nämlich die längere Auszahlung an die Beitragsdauer (CDU) oder das Lebensalter (SPD) geknüpft wird. Dafür hakt es noch bei der Finanzierung. Die SPD versteht unter einer „kostenneutralen“ Lösung, dass der geschätzte Mehraufwand von 1,0 bis 2,9 Millionen Euro auch aus den Überschüssen der Bundesagentur für Arbeit (BA) geholt werden kann. Die Union will diese Überschüsse dafür nutzen, den Arbeitslosenbeitrag noch unter das inzwischen unstreitige Ziel von 3,5 Prozent zu drücken, und meint mit „kostenneutral“: Streichung anderer Leistungen der BA. Bis nächste Woche soll eine Arbeitsgruppe auflisten, welche Maßnahme wie viel Geld erbringen könnte. Vom Tisch dürfte aber eine Gegenfinanzierung zulasten jüngerer Arbeitsloser sein. bib

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