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Politik: „Die reiche Welt muss dabei helfen, dass Kongo aufgebaut wird“

Der Chef des UN-Büros für humanitäre Hilfe über die Krisenherde in Afrika und die Chancen des Kontinents auf eine bessere Zukunft

Für jemanden, der sich täglich mit Krisen beschäftigt, sind Sie sehr gut gelaunt. Wie kommt das?

Es passiert ja nicht nur Schlechtes. Wir, also das UN-System sowie Nicht-Regierungsorganisationen oder das Rote Kreuz, waren nie zuvor so erfolgreich in der humanitären Hilfe – zum Beispiel nach dem Tsunami in Südasien oder dem Erbeben in Pakistan. Sogar in Afrika, wo mit Abstand die schlimmsten Krisen herrschen, hat zum Beispiel die Demokratische Republik Kongo jetzt die Chance auf eine bessere Zukunft – wenn die internationale Gemeinschaft nicht versagt.

Wie meinen Sie das?

Ich weiß, dass in Deutschland sehr über Kongo diskutiert wird. Und ich bitte jeden, zu verstehen, dass Kongo, zusammen mit Sudan, mehr als alle anderen Katastrophen der Test für unsere Generation ist, inwieweit wir bereit sind, uns in Krisensituation für andere einzusetzen. Wenn wir bei dem Grundsatz übereinstimmen, dass ein Leben in Kongo genauso viel Wert ist wie ein Leben im Kosovo oder in Deutschland, sollten wir nicht zulassen, dass jeden Tag 1200 Menschen in Kongo an vermeidbaren Krankheiten und Gewalt sterben. Die reiche Welt muss dafür Sorge tragen, dass dieses Land wiederaufgebaut werden und dass sich die Demokratie festigen kann, die nach Jahren des Bürgerkriegs zu wachsen beginnt. Und dazu gehört, dass die ersten demokratischen Wahlen in Kongo überhaupt stattfinden können.

Gäbe es in Darfur auch die Möglichkeit für den Wechsel zum Besseren?

Seit ich im September 2003 mein Amt angetreten habe, beschäftigt mich der Darfur-Konflikt jeden Tag. Vor anderthalb Jahren hat es die internationale Gemeinschaft dort zwar allen Vorhersagen zum Trotz geschafft, Hunderttausenden das Leben zu retten. Inzwischen aber wird die humanitäre Hilfe mehr und mehr gelähmt. Weil die Gewalt anhält und die Regierung in Khartum, die arabischen Reitermilizen, aber auch die schwarzafrikanischen Rebellengruppen nicht zu zufriedenstellenden Lösungen kommen.

Was wäre nötig?

Eine viel stärkere multinationale Peacekeeping-Truppe an Stelle der Truppen der Afrikanischen Union, die jetzt vor Ort sind. Die AU-Soldaten leisten großartige Arbeit, aber sie sind zu wenig und vor allem nicht gut genug ausgerüstet.

Die letzte Katastrophe, die großen Widerhall fand, war das Beben in Pakistan. Jetzt gibt es Kritik, weil die Folgen des Winters nicht so dramatisch waren wie befürchtet. Wie gehen Sie damit um, vor dem Schlimmsten warnen zu müssen und als hysterisch dazustehen, wenn es nicht eintritt?

Wir müssen der Welt sagen, was passieren kann, wenn wir nicht reagieren. Wenn wir beim Tsunami oder in Pakistan weltweit nicht so viel Hilfe hätten mobilisieren können, hätten wir sicher viel mehr Menschen verloren. Wir waren in beiden Fällen erfolgreich, Menschlichkeit von der besten Seite. In Kongo haben wir das nicht. Dort werden unsere schlimmsten Befürchtungen noch übertroffen.

Erhalten „menschengemachte“ Krisen vielleicht generell weniger Unterstützung als Naturkatastrophen?

Nicht unbedingt. Für Darfur haben wir sehr viel Unterstützung bekommen. Die Sicherheitslage macht es aber viel schwieriger, in menschengemachten Krisen zu arbeiten. Das größte Problem ist jedoch, dass diese Konflikte dauern und dauern. Naturkatastrophen mit Ausnahme von Dürren dagegen nehmen unsere Vorstellungskraft auf dramatische Weise in Beschlag, zugleich ist aber ein Ende des Leidens zu sehen – wenn wir genug Ressourcen haben.

Das Gespräch führte Ruth Ciesinger.

Jan Egeland (49) ist Chef von Ocha, dem UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfen, das seinen Sitz in New York und Genf hat. Egeland stammt aus Norwegen.

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