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Politik: Die Schüsse hallen nach

Bereits am Freitag wurden zwei Afghanen durch deutsche Soldaten schwer verletzt. Die Öffentlichkeit erfuhr davon erst am Montag

Berlin - Die Nachricht über die Schüsse auf einen afghanischen Kleinbus an einem Bundeswehr-Checkpoint in der Nähe des nordafghanischen Kundus erreichte die deutsche Öffentlichkeit mit dreitägiger Verspätung. Am Montag bestätigte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums (BMVg) den Zwischenfall, der sich bereits vergangenen Freitagabend zugetragen hatte. Nach Angaben des BMVg hatten Bundeswehrsoldaten an dem Kontrollpunkt kurz vor 20 Uhr (Ortszeit) einen mit mehreren Personen besetzten Kleinbus durch gezielte Schüsse auf den Motorblock gestoppt – und dabei zwei der Insassen schwer und drei weitere leicht verletzt.

Das Fahrzeug sei auf einer Hauptstraße mit hoher Geschwindigkeit auf den Posten zugerast, habe aber trotzt mehrerer Warnschüsse nicht angehalten, hieß es weiter. Die Schwerverletzten würden derzeit im Feldlager der Bundeswehr in Kundus ärztlich versorgt. Unklar ist bislang, ob sich in dem Bus auch Frauen und Kinder befanden. Möglicherweise seien Insassen geflüchtet. Zudem sei noch ungeklärt, ob es sich bei dem Zwischenfall um einen Anschlag oder ein „Missverständnis“ handele, betonte der Sprecher. Der Vizepolizeichef der Provinz Kundus, Abdul Rahman Aktaasch, sagte, die Passagiere des Kleinbusses hätten die Leiche eines Verwandten von Kabul in die nordostafghanische Provinz Badachschan transportieren wollen. Sie seien daher in Eile gewesen und schnell gefahren. Der Bundeswehrkommandeur in Kundus habe der Polizei zugesichert, dass es zu einem solchen Vorfall nicht noch einmal kommen werde. Ende August hatte ein deutscher Soldat an einer Straßensperre nahe Kundus eine Frau und zwei Kinder erschossen. Der Vorfall wird untersucht.

Damals waren die Obleute des Verteidigungsausschusses von Peter Wichert, dem Staatssekretär des Verteidigungsministeriums, zeitnah per Fax über die Ereignisse in Kundus unterrichtet worden. Ein Kommunikationsweg, der diesmal nicht beschritten wurde – sehr zum Missfallen der Verteidigungsexperten im Bundestag. „Es ist mir unerklärlich, wo die Nachricht hängen geblieben ist“, sagte der Grünen-Obmann im Verteidigungsausschuss, Winfried Nachtwei, dem Tagesspiegel. „Beim BMVg gilt der Grundsatz, dass es dann eine schnelle Meldung gibt, wenn eigene Kräfte betroffen sind. Ich halte dieses Kriterium für zu eng. Eine zügige Mitteilung wäre auch in diesem Fall angebracht gewesen“, kritisierte Nachtwei. Auch SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold ist von der Informationspolitik des Verteidigungsministeriums bei dem jüngsten Zwischenfall in Kundus enttäuscht. „Ich bin sehr unglücklich darüber“, sagte Arnold. „Ich versuche jeden Tag, die Menschen von der Notwendigkeit des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan zu überzeugen“, sagte er. „Da kann ich vom Verteidigungsministerium erwarten, gut informiert zu sein.“ Arnold will das Thema in der nächsten Sitzungswoche des Verteidigungsausschusses auf die Agenda setzen. „Ich wünsche mir, dass wir künftig detaillierter über die Vorgänge in Afghanistan informiert werden“, sagte er. Birgit Homburger (FDP) kritisierte das Informationsgebahren des BMVg als „insgesamt unzureichend“. „Viel zu oft erfahren wir über Überlegungen des Ministeriums erst aus den Medien“, sagte die Verteidigungsexpertin.

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