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Politik: „Die Solidarität im Westen nimmt rapide ab“

Nordrhein-Westfalens SPD-Chefin Hannelore Kraft sieht die Finanztransfers skeptisch und lehnt den Komplettumzug nach Berlin ab

Frau Kraft, sind die Finanztransfers an die neuen Länder zu hoch?

In Teilen ja. Natürlich hängt der Osten dem Westen noch nach, wenn man ihn als Ganzes betrachtet. Wer genauer hinsieht, muss aber feststellen, dass es im Osten Gegenden gibt, die sich weit besser entwickeln als manche Kommune im Westen. Dresden etwa hat bei gleicher Einwohnerzahl weniger Arbeitslose und mehr Steuereinnahmen als Duisburg.

Dresden ist Landeshauptstadt.

Das stimmt. Dennoch nimmt die Solidarität im Westen rapide ab.

Zu Recht?

Tatsache ist doch, dass offensichtlich in den neuen Ländern mit Ausnahme von Sachsen jeder zweite Euro aus Solidarpaktmitteln nicht sachgerecht für Investitionen verwendet wird, sondern in Schuldentilgung oder für Personalkosten draufgeht. Das nehmen die Menschen wahr, vor allem, wenn sie in Kommunen wie Dortmund leben, die in den vergangenen Jahren über 400 Millionen Euro im Rahmen des Solidarpakts an Solidaritätsleistung erbracht haben und jetzt auf 900 Millionen Euro Schulden sitzen. Da müssen wir aufpassen, dass die Solidarität erhalten bleibt.

Wie?

Es muss nach Bedürftigkeit gefördert werden und nicht mehr nach der Himmelsrichtung. Es gibt auch Kommunen im Westen, denen geholfen werden muss, Solidarität darf keine Einbahnstraße sein.

Heißt das, ein Teil der Mittel, die dem Osten im Rahmen des Solidarpakts II bis 2019 zugesagt sind, sollen in besonders bedürftige Städte im Westen umgelenkt werden?

Ich würde mir das wünschen, weiß aber, dass der Solidarpakt nur mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag verändert werden kann. Deshalb müssen wir versuchen, im Rahmen der Verhandlungen über die Föderalismusreform II, also die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die Mittel des Bundes für Städtebau und Verkehrsinfrastruktur auf besondere Problemregionen im Westen zu lenken. Das wäre etwa bei der Verkehrsinfrastruktur mehr als gerechtfertigt. Der Osten ist da weit vorangekommen, während der ADAC für Nordrhein-Westfalen festgestellt hat, dass jede zweite Landesstraße marode ist. Das kann so nicht bleiben.

In Berlin wird der Ruf nach einem Komplett-Umzug der Bundesregierung in die Hauptstadt laut.

Ein Umzug weiterer Bundesbeamter ist nicht notwendig. Wir leben im Kommunikationszeitalter. Es dürfte also kein Problem sein, die Zusammenarbeit zwischen Bonner und Berliner Dienststellen effizienter und damit kostengünstiger zu gestalten, ohne Milliarden für einen Umzug auszugeben. Große Unternehmen unterhalten häufig auch mehrere Firmensitze.

Die Fragen stellte Stephan Haselberger.

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