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Euro-Rettung: Die SPD in der Erklärungsoffensive

Die Aufregung um SPD-Vorschläge zur Vergemeinschaftung von Schulden verdeckt Gemeinsamkeiten mit CDU/CSU.

Von Hans Monath

Berlin - Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider gab sich unerschrocken. Er sei überzeugt, dass die Deutschen auch in einer Volksabstimmung die Vergemeinschaftung von Schulden einem Kollaps des Euro vorziehen würden, erklärte der Bundestagsabgeordnete am Dienstag. Er sei „ganz optimistisch“, dass die Wähler in diesem Fall „für ein Europa stimmen, das nicht von den Märkten dominiert wird“, sagte er im Deutschlandfunk.

Auch noch einen Tag nach einem neuen Vorstoß ihres Parteichefs Sigmar Gabriel zur Euro-Rettung mussten Sozialdemokraten viel erklären. Es schien, als hätten die eifrigsten Polemiker der Koalition nur auf die Vorlage gewartet, nachdem eine Zeitung einen „Strategiewechsel“ der SPD verkündete und meldete, dass Gabriel die Europa-Thesen der beiden Philosophen Jürgen Habermas und Julian Nida-Rümelin sowie des Ökonomen Peter Bofinger übernehme.

Als „Schuldensozialismus“, als „gemeingefährlich“ oder „Generalangriff auf die deutsche Steuerkasse“ schmähten FDP- und CSU-Politiker die Thesen des Sozialdemokraten. Weil auch SPD-Wähler nicht gern mit ihrem Geld unbegrenzt für fremde Schulden zahlen, bestand die Gefahr, dass die Vorwürfe verfangen. Obwohl noch in Elternzeit, machte sich Gabriel auf nach Berlin und bemühte sich in einer eilends anberaumten Pressekonferenz, die Vorwürfe auszuräumen. Und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier stellte sich demonstrativ hinter ihn.

Tatsächlich lässt sich aus Gabriels Zustimmung zu dem Papier, das er als Impuls für die SPD-Wahlprogrammdebatte bestellt hatte, keinerlei Strategiewechsel ablesen. Die drei Autoren wollen die Spekulationen gegen den Euro durch eine gemeinschaftliche Haftung für Staatsanleihen beenden – allerdings unter strengen Voraussetzungen. Zuerst soll ihrer Meinung nach eine übernationale europäische Haushaltskontrolle etabliert werden, die die Übertragung von nationalen Souveränitätsrechten voraussetzt. Die zwei Philosophen und der Ökonom schlagen vor, dass ein Verfassungskonvent eine Grundgesetzänderung ausarbeitet, über die das Volk abstimmen soll.

Diese Position vertritt die SPD im Grundsatz schon seit Monaten. Allerdings ging sie zwischenzeitlich auf Distanz zu dem Instrument der Euro-Bonds (Gemeinschaftsanleihen aller EU-Länder), für das sie im vergangenen Jahr noch geworben hatte. Grund waren sowohl verfassungsrechtliche Bedenken als auch die Furcht, dem Wähler als Fürsprecher fremder Interessen zu erscheinen.

In seiner Reaktion auf die Attacken aus der Koalition verwies Gabriel am Montag darauf, dass auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für eine Fiskalunion und damit für mehr politisches Gewicht von Brüssel wirbt. Tatsächlich hatte Schäuble Ende Juni erklärt, in einer Fiskalunion könne die Haftung für Schulden vergemeinschaftet werden. Er erwarte ein Referendum über die Übertragung von Souveränitätsrechten und über ein neues Grundgesetz möglicherweise schon in wenigen Jahren, sagte er zudem.

Von solchen Gemeinsamkeiten mit Gabriel will die Union momentan nichts wissen. „Die SPD setzt in zynischer Weise auf eine Verschärfung der Euro-Krise“, sagte Vizefraktionschef Andreas Schockenhoff dem Tagesspiegel. Gabriel spekuliere darauf, „dass er in diesem schlimmen Fall Bundeskanzlerin Angela Merkel als Bremserin attackieren und ihr die Schuld für die Zuspitzung zuschieben kann“. Es sei zwar richtig, dass mehr Integration in Europa nötig sei. Dabei gehe es nicht nur um Schuldenabbau, sondern „um den politischen Willen zu schmerzhaften Strukturreformen“ in ganz Europa. „Wenn wir das in der Krise nicht schaffen, haben wir unsere Chance verpasst.“

Schneider wurde in seinem Interview am Dienstag auch gefragt, welche Folgen es hätte, wenn die Deutschen eine Grundgesetzänderung ablehnen würden. Trocken antwortete der Haushaltsexperte: „Dann ist Schicht.“ Hans Monath

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