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Politik: Die Spur weist nach Damaskus

Nach dem Verschwinden eines türkischen Kampfjets bemüht sich Erdogan zunächst um Deeskalation – und spricht später Klartext.

Der Absturz eines türkischen Kampfjets über dem Meer vor der syrischen Küste und Meldungen über einen Abschuss der Maschine durch die Syrer haben am Freitag die Sorgen hinsichtlich neuerlich eskalierender Spannungen zwischen den Nachbarn verstärkt. Zunächst hatte es danach ausgesehen, als sei der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bemüht, die Lage zu beruhigen. Noch zu Beginn einer Sitzung des Sicherheitskabinetts in Ankara erklärte er, die Ursache des Absturzes des Flugzeugs vom Typ Phantom F-4 sei unklar. Doch nach der Krisensitzung hieß es am späten Abend in einer Stellungnahme des Büros Erdogans, eine Auswertung der gesammelten Daten habe ergeben, dass das Flugzeug von Syrien abgeschossen worden sei.

Die türkische Luftwaffe hatte am Mittag den Kontakt zu der im ostanatolischen Malatya gestarteten Maschine verloren. Ein libanesischer Rundfunksender hatte bereits am frühen Abend gemeldet, der Jet sei von Syriens Luftabwehr abgeschossen worden. Erdogan dementierte zunächst türkische Medienberichte, wonach sich Syrien für den Vorfall entschuldigt habe. Fragen, warum der türkische Jet so nahe an der syrischen Küste unterwegs war, beantwortete er nicht. Die Türkei hatte sich wegen des gewaltsamen Vorgehens der syrischen Regierung gegen die Protestbewegung von Damaskus abgewandt.

Unterdessen nimmt die Gewalt in Syrien immer weiter zu, während die USA und Großbritannien Berichte über eine mögliche Immunität für Staatschef Baschar al Assad zurückwiesen. In einem Hinterhalt seien am Freitag 26 Anhänger des syrischen Regimes getötet worden, meldete die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Nach ihren Angaben handelt es sich bei den Opfern um Mitglieder der Schahiba, der berüchtigten Milizen, die die Schmutzarbeit für das Regime machen. Die staatlichen Medien sprechen von einem „brutalen Massaker“ durch „bewaffnete terroristische Gruppen“. Die Männer seien aus dem Dorf Darat Assa westlich von Aleppo entführt und erschossen worden. Bereits am Donnerstag sollen nach Angaben der Beobachtungsstelle fast 170 Menschen in Syrien getötet worden sein. Es soll sich um 104 Zivilisten, 54 Soldaten und zehn Aufständische handeln und einer der blutigsten Tage seit Ausbruch des Konflikts vor 15 Monaten gewesen sein.

Beim Tod der 26 Regimeanhänger bei Aleppo gehen Staatsmedien und Opposition davon aus, dass sie von Aufständischen getötet wurden. Ob Hinterhalt oder gezielte Entführung und Ermordung – darüber gehen die Angaben auseinander. Diese Diskrepanz zeigt erneut, wie schwierig der Umgang mit Informationen aus Syrien ist. Ein anderes Beispiel ist das Massaker von Hula, bei dem im Mai 108 Menschen ermordet wurden – laut vorherrschender Meinung von Regimemilizen. Der Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Rainer Hermann, hat in Damaskus unter Berufung auf Oppositionelle, die aus der Region um Hula stammten, eine andere Version recherchiert. Demnach seien 84 der Ermordeten Mitglieder der Familien Al Sajjid und zweier Zweige der Familie Abdarrazzaq. Diese seien Alewiten oder Sunniten, die zum Schiitentum konvertiert seien, was für radikale Islamisten den Abfall vom Glauben bedeutet und damit auf radikale islamistische Täter hindeuten könnte. Hermann steht relativ allein mit dieser These, und auf Websites syrischer Oppositioneller wurden seine Angaben als falsch bezeichnet: Alle Dörfer um Hula seien ausschließlich von Sunniten bewohnt.

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