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Politik: Die Stunde des Komödianten

Der Talkshow-Gastgeber und Konservative Boris Johnson wird neuer Bürgermeister von London

Von Markus Hesselmann

Das Ende war britisch fair. Möge seine Amtszeit zu den schönsten Jahren seines Lebens werden, wünschte Londons Bürgermeister Ken Livingstone nach seiner Wahlniederlage seinem Herausforderer Boris Johnson. Die Labourpartei, der Livingstone angehört, hat bei den Kommunalwahlen in England und Wales am Ende auch die Hauptstadt London verloren. Das ergab die Stimmenauszählung, die bis in die Nacht auf Sonnabend dauerte. Livingstone unterlag Johnson klar. Der Kandidat der Konservativen erhielt fast 140 000 Stimmen mehr als sein seit acht Jahren amtierender Labour-Rivale.

Nicht immer war das Duell der beiden Charismatiker so freundlich gewesen. Livingstone versuchte, den Journalisten und Talkshow-Gastgeber Johnson als Komödianten und politisches Leichtgewicht bloßzustellen. „Dann ist Boris nicht mehr so lustig“, war einer der Slogans seines Wahlkampfes, mit dem Livingstone das abschreckende Szenario eines zwar humorvollen, aber unzuverlässigen und für das verantwortungsvolle Amt ungeeigneten Bürgermeisters Johnson beschwor. Johnson brandmarkte Livingstone im Gegenzug als unverbesserlichen Sozialisten mit Idolen wie dem früheren kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro und dem venezolanischen Staatschef Hugo Chavez.

Livingstones Kampagne zog nicht. Am Ende gab wohl die Wechselstimmung in Stadt und Land den Ausschlag. Deshalb ist Livingstones Niederlage auch eine Niederlage des Premierministers Gordon Brown. Der Verlust Londons steht als Fanal für Labours schwerste Wahlniederlage seit vier Jahrzehnten. Die „Times“ schrieb von einem „Massaker“. Andere Zeitungen wählten ähnlich martialische Metaphern.

Johnson gab gleich den disziplinierten Macher. Er werde sich ins Zeug legen, um das Vertrauen zu rechtfertigen, sagte der Mann mit der Moppfrisur. Der Wahlsieg zeige, dass sich die Tories gewandelt hätten, bedeute aber nicht, dass „London über Nacht eine konservative Stadt geworden ist“.

Livingstone gestand seine Niederlage ein und bot Johnson mit pathetischen Worten seine Hilfe an. „In welcher Rolle es auch sein wird, ich werde, solange ich lebe und atme, in dieser Stadt leben und diese Stadt lieben, und daran arbeiten, sie zu verbessern“, sagte der 62-Jährige.

Johnson schloss eine Zusammenarbeit mit Livingstone nicht aus. Der 43-Jährige – vollständiger Name: Alexander Boris de Pfeffel Johnson – gilt als Inbegriff des leicht trotteligen Upperclass-Briten und hat als Politiker noch nicht viel Profil. Umso mehr aber als Medienfigur. Als Chef des „Spectator“ musste er sich 2004 öffentlich entschuldigen, weil das konservative Magazin in einem namentlich nicht gekennzeichneten Beitrag die Einwohner Liverpools pauschal kritisiert hatte. Sie hätten sich in öffentlicher Trauer „gesuhlt“, nachdem der Liverpooler Kenneth Bigley in Bagdad entführt und ermordet worden war. 2006 verglich er das Hauen und Stechen in der konservativen Partei mit „Menschenfresserorgien“ in Papua-Neuguinea und musste sich gleich bei einem ganzen Land entschuldigen. Zudem machte sich Johnson mit Sprüchen über Minderheiten Feinde. Nun ist er Bürgermeister des multikulturellen London. Sein Wahlprogramm unterschied sich wenig von dem Livingstones. Die geplante Erhöhung der City-Maut will Johnson nicht mitmachen. Polizisten will er mit Handscannern ausstatten, um Messer und Pistolen aufzuspüren, bevor sie in den Konflikten der Jugendgangs zum Einsatz kommen.

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