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Die Tücken der Regierungsbildung: Warum macht die Union keine Zugeständnisse?

Die Sondierungen kommen nur schleppend voran. Die Erwartungen an die schwarz-grünen Gespräche am Dienstagabend sind nicht besonders hoch. Und auch das Treffen von Union und SPD am Montagabend verlief für die Teilnehmer enttäuschend.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Hans Monath

Zäh ist sie gewesen und ohne fassbare Ergebnisse, die zweite Sondierungsrunde für eine schwarz-rote große Koalition. Nachdem Union und SPD in der Nacht zum Dienstag wesentliche Differenzen auf dem Weg zu einer großen Koalition nicht aus dem Weg räumen konnten, gab es am Dienstagabend dann die zweite Runde zwischen Union und Grünen.

Gab es bei der schwarz-grünen Sondierung Fortschritte?

Auch wenn es unerwartet zu Annäherungen bei gesellschaftspolitischen Streitthemen kam, taten sich doch auf anderen Gesprächsfeldern zahlreiche Differenzen auf. Aus Verhandlungskreisen hieß es, dass es bei den Themen Europa, Energie, Landwirtschaft oder beim Ausbau der Infrastruktur kaum eine Annäherung gegeben habe. Den Grünen sind vor allem Themen wie die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben, eine doppelte Staatsbürgerschaft und Verbesserungen für Asylbewerber wichtig. Aus Grünen-Kreisen hieß es während der Verhandlungen am Abend allerdings auch, große Differenzen hätten sich bei den Themen Agrar und Verkehr gezeigt. Bei der vor allem von CSU-Chef Horst Seehofer verlangten Pkw-Maut gehe nichts zueinander.

Warum geht es bei den Sondierungen

zwischen Union und SPD nicht voran?

Dafür gibt es einen inhaltlichen und einen taktischen Grund. Der taktische liegt darin, dass schon vor dem zweiten Treffen ein drittes ins Auge gefasst worden war. Das nahm den Druck von beiden Seiten, sich jetzt schon bewegen zu müssen und nicht erst in der Schlussrunde. Inhaltlich war ein zähes Ringen absehbar. Denn je weiter CDU, CSU und SPD ins Detail gehen, um so weiter liegen ihre Vorstellungen eben doch auseinander.

Dennoch war die Enttäuschung bei den Sozialdemokraten groß. „Das ist nicht das, was wir uns erhofft hatten“, hieß es in der Partei mit Blick auf den Parteikonvent am Sonntag. Weil sich die Union nicht auf die SPD zubewegt habe, sei man nun „nicht wesentlich weiter“ gekommen mit der Antwort auf die Frage, ob man gemeinsam regieren könne.

So trübselig fallen die Kommentare aus der Union nicht aus – die Partei, die die Kanzlerin stellt, muss ja auch keine frustrierte Basis regierungswillig stimmen. Doch auch für CDU und CSU ist der Gang in eine große Koalition nicht einfach. Am deutlichsten zeigte sich die Distanz wieder einmal bei der Frage nach der Finanzierung künftiger Projekte. Wo die SPD nach konkreter (Steuer)-Gegenfinanzierung rief, setzte die Union auf gute Konjunkturentwicklung, die das Steuergeld von selber fließen lassen werde.

Warum macht die Union

keine Zugeständnisse?

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wurde Montagnacht grundsätzlich. „Sondierungsgespräche sind nicht der Ort, um konkrete Ergebnisse zu finden“ , erklärte er. CSU-Kollege Alexander Dobrindt schloss konkrete Zugeständnisse an die Sozialdemokraten ebenfalls kategorisch aus. „Alles hängt mit allem zusammen“, sagte er: „Darum wird es keine vorherigen Vereinbarungen in Einzelfragen geben.“ In der Union herrscht zwar durchaus Verständnis dafür, dass ihre Verhandlungspartner idealerweise mit konkreten Erfolgen am Wochenende vor ihre Parteiversammlungen treten wollen. Aber gerade bei Themen wie dem Mindestlohn und anderen, die am ehesten trophäentauglich wären, fällt auch CDU und CSU ein Entgegenkommen am schwersten. „Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn ohne jede Ausnahme – das wäre für uns ein sehr weiter Weg“, sagt einer aus der CDU-Spitze. Den geht man frühestens in Koalitionsverhandlungen – und dann mit Gegenleistung. Denkbar sei also allenfalls, so heißt es aus der CDU-Spitze, dass die Union an wichtigen Punkten Gesprächsbereitschaft bekunde.

Wo ist eine Einigung wahrscheinlich,

wo sind die Fronten verhärtet?

SPD-Chef Sigmar Gabriel informierte am Dienstag den SPD-Parteivorstand über die zweite Sondierungsrunde. Nach seiner Darstellung und nach anderen Hinweisen aus der SPD blockte die Union die sozialdemokratischen Steuererhöhungspläne rigide ab. Für durchsetzbar hält Gabriel aber einen Mindestlohn, wobei Details freilich noch nicht absehbar seien. Das Gleiche gelte für schärfere Regeln gegen den Missbrauch von Leiharbeit oder Werkverträgen. Auch beim Thema Pflege sehen die Sozialdemokraten Gemeinsamkeiten, weil die Union für Beitragserhöhungen offen sei.

Wie könnte ein Ergebnis aussehen, mit dem Gabriel den Parteikonvent überzeugt?

Das ist bislang schwer absehbar. Der Parteichef dürfte jedenfalls versuchen, bei der zentralen Forderung seiner Partei nach einem Mindestlohn einen Erfolg zu präsentieren, selbst wenn der nur in einer Bemühenszusage der Union bestehen würde. Gabriel weiß außerdem: Nach dem erneuten schlechten Abschneiden der SPD bei Wählerinnen am 22. September erwarten die weiblichen SPD- Bundestagsabgeordneten und die weiblichen Delegierten des Parteikonvents ein Signal für Fortschritte auf dem Feld der Frauenpolitik.

Welche Rolle spielen persönliche

Unverträglichkeiten?

Bei den Verhandlungen in der Nacht zum Dienstag kam es zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt und SPD- Vize Hannelore Kraft. Kraft selbst schilderte den Dissens in der SPD-Schaltkonferenz so, dass ihr der Bayer im Streit um das Betreuungsgeld eine „Ökonomisierung der Familienpolitik“ vorgeworfen habe. In der CSU werden dagegen Tiraden der NRW-Landeschefin gegen das Ehegattensplitting als Auslöser genannt – eine Attacke, die der Union um so mehr aufstieß, als sie dort den Versuch witterte, zusätzliches Bundesgeld für die klamme NRW-Kasse aufzutreiben.

Jedenfalls nahmen die Unterhändler anschließend erst mal eine Auszeit. Dobrindt rechtfertigte den Streit mit dem Satz, man müsse „auch mal die Belastbarkeit einer möglichen Koalition austesten“. Daran ist zumindest so viel richtig, dass es bei solchen Episoden selten um persönliche, sondern fast immer um sachliche Differenzen geht. Die meisten Spitzenleute aller drei Parteien kennen sich schließlich aus der Zusammenarbeit in der großen Koalition 2005 bis 2009. Gabriel, Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und selbst CSU-Chef Horst Seehofer waren Minister im Kabinett Merkel. Im Grundsatz, berichtet ein Teilnehmer aus der Union, bestehe das alte Vertrauen bis heute fort. Nur ob diese Basis erneut zu einer Koalition reicht, das blieb offen.mit dpa

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