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Politik: „Die USA brechen internationales Recht“

Der Menschenrechtsaktivist John Sifton von Human Rights Watch über Geistergefangene und geheime CIA-Gefängnisse

Mr. Sifton, Human Rights Watch hat eine Liste mit 26 so genannten „Ghost Detainees" veröffentlicht, die von den USA festgehalten werden. Was sind Geistergefangene?

Menschen, deren Festnahme von den Behörden nicht gemeldet wird. Sie werden nicht der Justiz überstellt und ihnen wird jeder Rechtsbeistand oder sonstiger Kontakt zu Außenwelt verwehrt. Sie werden an geheimen, von der CIA kontrollierten Orten rund um die Welt gefangen gehalten, den so genannten „Black Sites“. Niemand weiß, wo die Gefangenen sind, nicht mal sie selbst. Wir vermuten, dass es neben den 26 bekannten Geistergefangenen noch 50 bis 100 weitere gibt.

Was ist daran ungesetzlich?

Internationale Verträge, die auch von den USA unterzeichnet wurden, verbieten es, Menschen verschwinden zu lassen und die Öffentlichkeit über ihr Schicksal im Unklaren zu lassen. Die US-Regierung gibt nicht einmal zu, dass sie diese Menschen festgenommen hat. Das kommt einer Entführung gleich. Wer daran beteiligt ist, macht sich strafbar.

Wer sind die Geistergefangenen?

Bis auf wenige Ausnahmen sind sie verdächtig, schwere Verbrechen verübt oder geplant zu haben. Dazu gehören die Anschläge vom 11. September 2001, die Attentate auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998 und die Anschläge auf Bali 2002. Wir glauben, dass diese Menschen für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden müssen. Dennoch ist es bisher zu keiner Anklage oder einem Rechtsverfahren gekommen. Wir müssen auch davon ausgehen, dass die Gefangenen misshandelt werden.

Human Rights Watch behauptet, dass es in Polen und Rumänien geheime CIA-Gefängnisse gibt.

Wir wissen aus polnischen und rumänischen Regierungskreisen, dass es diese Gefängnisse gibt. Da wir unseren Quellen aber Anonymität zugesichert haben, dient diese Information nicht als Beweis. Die Journalistin Dana Priest von der „Washington Post“ hat ebenfalls Quellen, die die Existenz der Gefängnisse in Polen und Rumänien bestätigen.

Können Sie das System beschreiben, das hinter den Geheimgefängnissen steckt?

Mit Beginn des Kriegs gegen den Terror nahmen FBI und CIA weltweit Terrorverdächtige fest. Die Gefangenen wurden in CIA–Flugzeugen zu Geheimgefängnissen außerhalb der USA gebracht. Man hält sie dort auf unbestimmte Zeit fest und hat freie Hand bei den Verhören. Zwar ist auch Beamten der CIA das Foltern verboten. Aber Techniken, die der Folter sehr nahe kommen, sind erlaubt. Man nennt das „erweiterte Verhörmethoden“ oder auch „Folter light“.

Sind die USA zu einem Unrechtsstaat geworden?

Das würde ich nicht sagen. In vielen Ländern werden die Rechte von Gefangenen viel stärker missachtet, das sind schon andere Dimensionen. Das Problem ist, dass die USA der einzige Staat auf der Welt sind, der versucht sein kriminelles Verhalten zu rechtfertigen. Die Bush-Regierung tut so, als ob sie das Recht hätte, Menschen zu entführen und sie zu foltern. So liefern sie Unrechtsstaaten eine Entschuldigung. Wie wollen die USA andere zur Einhaltung des Rechts bewegen, wenn sie es selbst brechen?

Die Fragen stellte Philipp Lichterbeck.

John Sifton (31) ist Anwalt. Er arbeitet für die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und hat im Fall der CIA-Gefängnisse recherchiert.

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