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Gerd Sonnleitner ist Präsident des Deutschen Bauernverbands.

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Sonnleitner: "Die Verbraucher bekommen keine alte Ware angedreht"

Gerd Sonnleitner ist Präsident des Deutschen Bauernverbands. Im Interview spricht er über Ehec und die Folgen für die Landwirtschaft.

Wochenlang sind die Bauern ihre Tomaten, Gurken und den Salat nicht los geworden. Jetzt ist das vorbei. Sind Sie erleichtert, Herr Sonnleitner?

Wir sind sehr froh und sehr erleichtert. Wir hoffen, dass jetzt Ruhe in den Markt einkehrt und die Menschen wieder frisches Gemüse essen. Das tut schon sehr gut.

Waren die Warnungen für Gurken, Salat und Tomaten übertrieben?

Wir müssen sehen, dass es sich um einen sehr aggressiven Erreger handelt und dass es Tote gegeben hat. Angesichts dessen ist es schon richtig, alle Vorbeugemaßnahmen zu treffen, die möglich sind. Dass die Sprossen Quelle des gefährlichen Ehec-Keims sind, gründet sich vor allem auf Indizien.

Fürchten Sie, dass die Verbraucher angesichts dieser Unsicherheit erst einmal abwarten, wie es weitergeht?

Nein, das glaube ich nicht. Sowohl das Robert-Koch-Institut als auch das Bundesinstitut für Risikobewertung haben die Infektionsquelle anhand der Indizien extrem klar und präzise eingegrenzt. Ich bin sicher, dass die Verbraucher jetzt wieder beherzt nach Gurken, Tomaten und Salat greifen werden, vor allem weil auch alle Ehec-Untersuchungen auf unseren heimischen Produkten negativ waren.

Viele Verbraucher haben in den letzten drei Wochen einen Bogen um Tomaten, Salat und Gurken gemacht. Wie hoch ist der Schaden für die deutschen Gemüsebauern?

Bis zum heutigen Tag sind es insgesamt etwa 65 Millionen Euro. Es kann noch etwas mehr werden, weil das Geschäft jetzt erst wieder anlaufen muss. Aber was wir aus dem Markt hören ist, dass die Nachfrage in den vergangenen Tagen bereits wieder gestiegen ist. Ich bin sicher: Seit der heutigen Entwarnung wird der Markt schnell wieder anspringen.

Räumen die Bauern jetzt ihre Lager? Kommen nun die alten Tomaten und Gurken in den Handel, die in den vergangenen Tagen nicht verkauft werden konnten?

Nein. Sie haben doch im Fernsehen oder in der Zeitung die Berge von Salat und Gurken gesehen, die vernichtet worden sind. Man kann frisches Gemüse nicht lagern. Die Verbraucher brauchen keine Angst zu haben, alte Ware angedreht zu bekommen.

Die EU-Kommission will die europäischen Bauern mit 210 Millionen Euro entschädigen. Reicht das?

Der Schaden in der gesamten EU liegt bei 500 bis 600 Millionen Euro. Das, was bisher an Entschädigungen vorgesehen ist, reicht nicht. Wir fordern eine höhere Kompensation.

Sollen die Bauern ihren Schaden in vollem Umfang ersetzt bekommen?

Ja, wir versuchen, den Schaden komplett kompensiert zu bekommen.

Sollen nur Gemüsebauern Geld bekommen oder auch Obstbauern?

Wir müssen vor allem den Betrieben helfen, die aufgrund ihrer Spezialisierung extrem geschädigt worden sind. Das trifft mit voller Wucht die Bauern, die Gurken, Tomaten und Salat anbauen. Dort müssen wir die Gelder einsetzen. Wir wissen ja nicht, wie viel Geld wir insgesamt bekommen werden. Sollte etwas übrig sein, sollten auch die Obstbauern Unterstützung erhalten.

Wie schnell muss das Geld fließen? Wie bedrohlich ist die Lage für die Salat-, Gurken- und Tomatenbauern?

Die betroffenen Betriebe haben bereits vor über zwei Wochen von der Landwirtschaftlichen Rentenbank überaus günstige Kredite bekommen, damit sie liquide bleiben. Die Überbrückungshilfe ist bereits gewährt und in Anspruch genommen worden. Aber auch das Geld aus Brüssel muss schnell gezahlt werden, die Bauern brauchen es dringend, so schnell wie möglich.

Gehen sonst Höfe pleite?

Nein, das wird nicht passieren. Verschiedene Stellen arbeiten zusammen, um das zu verhindern – die Landwirtschaftliche Rentenbank, Brüssel, die Bundesländer und auch der Bund.

Falls nicht genug Geld aus Brüssel kommt, muss der Bund dann finanziell helfen?

Das werden wir sehen, wenn wir wissen, wie viel Brüssel letztlich zur Verfügung stellt. Wir hoffen, dass EU-Agrarkommissar Ciolos die Summe noch einmal aufstockt. Die Bundesländer wollen Hilfe für extrem geschädigte Betriebe bereitstellen, und mit dem Bund reden wir auch darüber. Bisher waren ja alle damit beschäftigt, die Seuche einzudämmen, den Verursacher zu finden und – richtigerweise – den Kranken zu helfen. Jetzt schauen wir, wie wir die Schäden ersetzen.

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