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Politik: Die Visionen der SPD: Lebenslanges Lernen

An diesem Wochenende finden die Mitglieder des SPD-Parteivorstands in ihren Briefkästen dicke Umschläge. Inhalt: mehr als 20 Seiten Entwurf zum Leitantrag "Sicherheit im Wandel" für den nächsten Bundesparteitag in Nürnberg.

An diesem Wochenende finden die Mitglieder des SPD-Parteivorstands in ihren Briefkästen dicke Umschläge. Inhalt: mehr als 20 Seiten Entwurf zum Leitantrag "Sicherheit im Wandel" für den nächsten Bundesparteitag in Nürnberg. Am Montag will der Vorstand das Papier verabschieden und gibt damit einen Hinweis, mit welchen Themen die Sozialdemokraten mit ihrem Vorsitzenden, Bundeskanzler Gerhard Schröder, in den Wahlkampf 2002 gehen wollen.

Acht Monate Zeit bleiben der Parteibasis, um über Herausforderungen und Gestaltung des Wandels zu debattieren. Sie sollen, wie SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sagt, "nicht die letzten Feinheiten, aber Leitlinien beschließen", welche Politik die SPD von 2002 an machen will. Müntefering will seine Partei frühzeitig einbinden, wenn es gilt, die politischen Leitplanken für eine mögliche zweite Legislaturperiode Schröders zu formulieren. Ende Juni sollen die Diskussionen in den Gliederungen abgeschlossen sein. Dann ist wieder der Vorstand am Zug. Er entscheidet, ob und welche Änderungen aufgenommen werden. "Wir wollen die Partei an der Entwicklung der Grundlinien breiter als bislang üblich beteiligen", heißt es im Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale in Berlin.

"Sicherheit im Wandel", was verbirgt sich hinter diesem Leitspruch? Die SPD erkennt in ihrem Leitantrag an, dass der gesellschaftliche Wandel in hohem Tempo verläuft. Das verlange Anpassung und Umstrukturierung. "Die SPD war immer eine Reformpartei", heißt es im Leitantrag: "Deshalb wissen wir, dass man Reformen nie gegen die Menschen machen kann." Dann folgt der Satz, der am deutlichsten sagt, was damit gemeint ist und der exakt den konsensorientierten Regierungsstil Schröders beschreibt: "Gute Reformpolitik wirbt um Akzeptanz und setzt um, was möglich ist." Müntefering hat das so beschrieben: "Wir wollen den Wandel so gestalten, dass man vor Veränderungen keine Angst haben muss, dass es gerecht zugeht, auch wenn mal ein Knoten durchschlagen werden muss."

Dabei zeigen sich in dem Leitantrag, den Schröder selbst auf dem Parteitag einbringen wird, durchaus Akzentverschiebungen. So würden die demographische Entwicklung und die Geschwindigkeit der Innovationen es erforderlich machen, dass künftig wieder bis zum 65. Lebensjahr gearbeitet wird. Es sei "in Zukunft erforderlich, die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis zum tatsächlichen Rentenantritt zu erhalten." Lebenslanges Lernen müsse Bestandteil jeder Beschäftigung werden. Und: "Die Finanzierung muss gerecht zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und öffentlicher Hand aufgeteilt werden."

In diesen Zusammenhang gehört auch der Vorschlag einer Erwerbslosenversicherung, die die bisherige Arbeitslosenversicherung ablösen soll. "Langfristig werden wir prüfen müssen, ob nicht der Ausbau der Arbeitslosenversicherung zu einer umfassenden Erwerbstätigenversicherung erforderlich ist", heißt es im Antrag. In ihr sollen auch Selbstständige versichert sein. Die Versicherung soll nach den Vorstellungen der SPD "den Versicherten Hilfen zur Erhaltung ihrer dauerhaften Beschäftigungsfähigkeit bereitstellen und die Chancen auf Weiterbildung verbessern". Schnell wird diese Versicherung allerdings nicht kommen, denn diese Pläne könnten "schon aus finanziellen Gründen erst dann verwirklicht werden, wenn die Arbeitslosigkeit weitgehend beseitigt ist". Dass das noch dauern wird, erwartet auch die SPD. Sie betont im Leitantrag allerdings "die realistische Chance, dass die Arbeitslosenzahl noch in dieser Legislaturperiode deutlich unter 3,5 Millionen Menschen sinkt".

Der Entwurf sieht auch einen neuen Akzent in der Familienpolitik vor. "Unser Ziel ist es, die staatlichen Leistungen weitgehend von der Ehe auf die Kinder zu verlagern", kündigt die SPD an, und "deshalb werden wir die geltende Regelung des Ehegattensplittings überprüfen". Doch nicht nur stärkere steuerliche Unterstützung für Familien ist geplant. Auch ein Netz an Kinderbetreuungseinrichtungen für alle Altersstufen wird gefordert.

Carsten Germis

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