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Politik: Die Wunde heilt langsam

Frankreich und Algerien vertiefen ihre Kontakte

Während Algerien in diesen ersten Novembertagen den 50. Jahrestag des Beginns seines Unabhängigkeitskrieges gegen die ehemalige Kolonialmacht Frankreich feiert, üben sich die Franzosen vor allem in Geduld und Versöhnung. Noch sind die Gräben zwischen beiden Ländern tief. Aber in den vergangenen zehn Jahren ist viel passiert: Erstmals gab es von französischer Seite zaghafte Ansätze, das Thema grausamer Folter an algerischen Kämpfern anzusprechen. Erstmals wurden die während des Algerienkrieges den französischen Militärs beistehenden algerischen Soldaten, die so genannten Harkis, die Frankreich nach seinem Rückzug schmählich im Feindesland zurückgelassen hatte, rehabilitiert. Die französischen Einwanderungsgesetze für Algerier wurden deutlich gelockert. Erstmals erlebte 2003 ein französisches Staatsoberhaupt, Jacques Chirac, einen triumphalen Empfang in der einstigen Kolonie. Hinzu kamen viele neue wirtschaftliche und politische Kontakte.

Dennoch: Die algerische Bevölkerung, die bis heute unter Arbeitslosigkeit, Preisverfall am Öl- und Gasmarkt, Wohnungsnot, rapidem Bevölkerungswachstum, Naturkatastrophen und brutalen, bürgerkriegsähnlichen Anschlägen fundamentalistischer Kämpfer leidet, wünscht sich mehr. Eine von „Le Monde“ am Wochenende veröffentlichte Umfrage enthüllte, dass 88 Prozent der Algerier eine offizielle Entschuldigung des französischen Staates für das fordern, was der einheimischen Bevölkerung während der Kolonialepoche und dem folgenden Krieg angetan wurde. Auf französischer Seite hält dies noch nicht einmal die Hälfte der Befragten für nötig.

Dennoch: Man kommt voran. Im kommenden Jahr soll ein Freundschaftsvertrag zwischen beiden Ländern unterzeichnet werden. Ganz uneigennützig verspricht Frankreich Ausbildungshilfen und Milliarden-Investitionen in Algerien mit seinen 32 Millionen Einwohnern und einem jährlichen Wirtschaftswachstum von fast sieben Prozent natürlich nicht. Das nordafrikanische Land verfügt über enorme Gas- und Ölreserven. Mangelware ist lediglich die Infrastruktur: Ein Dorado also für französische Unternehmen, die den algerischen Markt schon jetzt bevorzugt bedienen, mit einem Marktanteil von 25 Prozent.

Einen Strich durch die „freundschaftliche“ Rechnung könnten höchstens die immer noch schwierigen inneren Befindlichkeiten der fast eine Million in Frankreich lebenden Algerier machen. Obwohl die meisten von ihnen die französische oder zumindest die doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, werden sie von den Franzosen überwiegend als Ausländer angesehen und leben häufig unter kaum zumutbaren Bedingungen in den französischen Vorstadt-Ghettos.

Sabine Heimgärtner[Paris]

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