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Politik: Die Zeichen seiner Zeit

PAPST 25 JAHRE IM AMT

Von StephanAndreas Casdorff

K orrigiert mich, wenn ich Fehler mache, sagte er kurz vor seiner Amtseinführung. Die ist nun 25 Jahre her, und aus Papst Johannes Paul II. ist „Karol der Große“ geworden. Er hat die jahrtausendealte katholische Kirche geprägt wie nur wenige vor ihm. Er hat sie popularisiert, als „Reisepapst“ medialisiert: Urbi et orbi, in der Stadt und im Erdenrund war er, wahrgenommen wie keiner vor ihm. Abermillionen Menschen ist er begegnet, keiner ist unberührt geblieben. Das wird von seinem Pontifikat ewig bleiben.

Ja, aber der Heilige Vater ist dennoch auch ein Mensch, und als solcher ist er fehlbar. Rigoros wird er von seinen Kritikern genannt, und er hat davon, wie von seinen Anhängern, nicht wenige. Als ein Mann von heiliger Starrköpfigkeit wird er beschrieben, in vielem widersprüchlich, modern und zutiefst konservativ in einem, bei der Verteidigung des Vorrangs der katholischen Kirche, seiner Kirche, geradezu doktrinär. Wo Liebe herrschen solle, so lautet eines der härteren Urteile im Blick auf sein Wirken, gebe es in innerkirchlicher Hinsicht dogmatische Kälte.

Vielleicht lässt es sich am besten mit Matthäus sagen: Dieser Papst erkennt die Zeichen der Zeit – und er beugt sich nur höherer Einsicht. Segensreich war Karol Wojtyla, der Pole auf dem Stuhl des Papstes, als es darum ging, den Osten Europas aus der Knechtschaft der Kommunisten zu befreien. Enttäuschung hingegen hat er denen bereitet, die aus diesem Akt schlossen, er sehe vielleicht in der Befreiung von Joch und Zwang das Leitmotiv seines Pontifikats.

Seine Glaubens- und Sittenlehre ist nicht progressiv. Er sagt nicht, dass er unfehlbar sei, aber er hat versucht, die päpstliche Autorität auf alle ethischen Fragen auszuweiten. Trotz vieler warnender Stimmen von Bischöfen, Theologen, Ärzten, Humanwissenschaftlern. Hart ist seine Position gegen eine Aufhebung des Zölibats, gegen das Priesteramt für Laien, gegen eine stärkere Beteiligung von Frauen am kirchlichen Leben, gegen Versöhnlichkeit beim Thema Homosexualität. Nein sagt er zur künstlichen Empfängnisverhütung und zum Schwangerschaftsabbruch. Wer aufbegehrte, wurde diszipliniert, wer den Worten Roms folgte, protegiert. Dazu die Seligsprechung des umstrittenen Opus-Dei-Gründers – und im Verlauf der Jahre schien sich das Bild eines Reaktionärs zu formen.

Dagegen steht: Johannes Paul II. ist der erste Papst, der eine Moschee und eine Synagoge besucht hat. Er ist der erste, der seine Bitte um Verzeihung für die Verfolgungen der Juden in die Jerusalemer Klagemauer steckte. Mit seinem Engagement gegen den Krieg überall auf der Erde, zuletzt im Irak, ist er der Anführer der größten Friedensbewegung der Welt geworden. Der Papst hat der Mafia den offenen Kampf angesagt, als er auf Sizilien war. Er hat sich für die Inquisition entschuldigt und Gott „mütterliche Züge“ zugesprochen. Und immer wieder hat er sich als großer Sozialreformer gezeigt, in drei Enzykliken. Hart ist seine Haltung gegen rücksichtsloses Gewinnstreben. Gewarnt hat er vor einer „Vergötzung des Marktes“, eine gerechte Verteilung der Güter gefordert. Kurzgefasst lautet seine Lehre: Wer zwei Röcke hat, kann einen abgeben. Heute wie früher.

Dieser Papst lebt den Widerspruch. Er will nicht dem Zeitgeist entgegenkommen, er setzt seine Zeichen dagegen. Das letzte ist sein Umgang mit der Krankheit. Und siehe: Aus Hinfälligkeit bezieht Johannes Paul II. neue Stärke. Groß ist sein Umgang mit Krankheit und Leid. Hierin wird er allmählich auch bei denen, die ihn kritisch sehen, zu einer Autorität. Ein Martyrium in modernen Zeiten. Und seine Fehler? Die wird die Zeit korrigieren.

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