zum Hauptinhalt

Politik: Die Zukunft des Sozialstaates: CDU will flexiblere Tarifregeln - Im Gesundheitssystem soll es Kern- und Wahlleistungen geben

Mehr Flexibilität in der Tarifpolitik und eine stärkere Spreizung der Löhne im Niedriglohnbereich haben CDU-Politiker auf einem Kongress zum "fairen Sozialstaat" gefordert. "Dabei geht es nicht darum, blindwütig Sozialstandards zu senken, Kosten zu minimieren oder Arbeitnehmerrechte einzuschränken", sagte der sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl-Josef Laumann, in Berlin.

Mehr Flexibilität in der Tarifpolitik und eine stärkere Spreizung der Löhne im Niedriglohnbereich haben CDU-Politiker auf einem Kongress zum "fairen Sozialstaat" gefordert. "Dabei geht es nicht darum, blindwütig Sozialstandards zu senken, Kosten zu minimieren oder Arbeitnehmerrechte einzuschränken", sagte der sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl-Josef Laumann, in Berlin. Aber Tarifverträge müssten sich auf die ursprünglichen Kernbereiche wie Lohn- und Arbeitszeitrahmen konzentrieren und soziale Standards festschreiben. Sie sollten damit eine sichere Grundlage für "betriebliche Bündnisse für Arbeit" bieten.

Für mehr Möglichkeiten zur Selbstbestimmung bei Vertragsverhandlungen zwischen Arbeitgebern und -nehmern sprach sich auch der Bundesgeschäftsführer des CDU-Wirtschaftsrates, Rüdiger von Voss, aus. Ein Teil der bisher von den Tarifpartnern kollektiv vereinbarten Regelungen sollte künftig auf individueller, betriebsnaher Ebene verhandelt werden. "Moderne Arbeitsmarktpolitik braucht mehr Autonomie der Vertragspartner unter Einhaltung des Sozialstaats", betonte von Voss. Das würde für mehr Arbeitsplätze sorgen. Anderer Ansicht war allerdings der stellvertretende Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Hermann-Josef Arentz. Er warnte vor Eingriffen in das Tarifvertragsgesetz. Die Tarifautonomie sei eher ein Vorteil als ein Nachteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Zum Thema Kündigungsschutz als mögliches Hemmnis für zusätzliche Arbeitsplätze schlug Laumann ein Optionsmodell vor, bei dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer schon zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses Abfindungsregelungen im Gegenzug für einen Verzicht auf Kündigungsschutzklagen vereinbaren sollten. Bisher sei es so, dass von den Arbeitnehmern, die sich mit einer Kündigungsschutzklage an die Arbeitsgerichte wenden, nur 1,5 Prozent wieder in den Betrieb zurückkehren, die anderen 98,5 Prozent aber bei Gewährung einer Abfindung ihren Arbeitsplatz verlieren. "Das Kündigungsschutzgesetz ist in der Praxis also fast ein reines Abfindungsgesetz." Das Optionsmodell schaffe Entlastung für die Arbeitsgerichte und Sicherheit für Arbeitgeber und -nehmer statt unklarem Ausgang von Gerichtsverfahren.

Rund 70 Prozent der Langzeitarbeitslosen hätten keine abgeschlossene Berufsausbildung, sagte Laumann. Einstellungen, vor allem im Dienstleistungsbereich, scheiterten oft an zu hohen Lohnkosten. Deshalb müssten die Löhne im unteren Bereich stärker gespreizt, das heißt gesenkt, werden, damit dort mehr Arbeitsplätze entstehen könnten. "Um einen Anreiz zur Aufnahme dieser Arbeit zu schaffen, müssen diese Einkommen durch staatliche Transferzahlungen ergänzt werden." Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sei dabei die direkte Unterstützung des Arbeitnehmers sinnvoller als Subventionen für den Arbeitgeber oder Lohnkostenzuschüsse.

Ein weiteres Hauptthema auf dem Kongress, dem ein umfangreiches CDU-Diskussionspapier vorlag, war das Gesundheitssystem. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe "Humane Dienste", Ulf Fink, kritisierte die Gesundheitspolitik der Bundesregierung scharf und forderte ein stärkeres Problembewusstsein auch in der Bevölkerung. Anders als bei der Altersvorsorge, wo die Problematik zunehmend erkannt werde, herrsche bei den Menschen eine dramatische Fehleinschätzung über die Finanzierungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen. "Nicht alles kann von den Krankenkassen bezahlt werden", sagte Fink. Die Regierungspolitik der Budgetierung führe direkt in die Zweiklassen-Medizin. "Mit begrenzten Mitteln kann man keine unbegrenzten Leistungen verlangen. Wir wollen daher - statt einer Budgetierung - ein System von Kernleistungen und Wahlleistungen." Der Gesetzgeber, also die Bundesregierung, müsse einen Katalog von Leistungsarten benennen. Nur noch die Kernleistungen, die dann immer noch rund 90 Prozent des derzeitigen Leistungskatalogs ausmachten, würden dann vollständig von den Krankenkassen bezahlt werden; bei Wahlleistungen müsse der Patient selbst zahlen. Als Beispiele für nicht zum Kern zählende Leistungen nannte er Zahnersatz für jüngere Patienten und medizinisch nicht notwendige Fahrtkosten. Wenn nichts geschehe, würden die Beitragssätze in der Krankenversicherung dramatisch steigen - denn die Alterung in der Bevölkerung und der technische Fortschritt in der Medizin würden das Gesundheitssystem finanziell immer stärker belasten.

Bernd Frank

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false