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Politik: Diskretion ausgeschlossen

Royal und Sarkozy – erstmals beschäftigt auch das Privatleben der Kontrahenten die Medien Frankreichs

Wenn Frankreich am nächsten Sonntag ein neues Staatsoberhaupt wählt, steht dem Land ein kleiner Kulturschock bevor: Die Grande Nation muss Abschied nehmen von der traditionellen Vaterfigur im Präsidentenpalast, zu dem eine Ehefrau an der Seite gehörte, und über dessen Affären die seriösen Medien des Landes den Mantel des Schweigens breiten. Anders diesmal: Die familiären Verhältnisse der jetzigen Kontrahenten Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy beschäftigen die französische Presse schon seit langem.

Ségolène Royal lebt seit 25 Jahren ohne Trauschein mit Francois Hollande zusammen, dem Vorsitzenden der sozialistischen Partei Frankreichs (PS). Das Paar hat vier Kinder und lernte sich auf der Eliteuniversität ENA kennen, woher sich fast das gesamte französische Polit-Establishment rekrutiert. Als Mitte letzten Jahres der Präsident von Polynesien, Oscar Temaru, den beiden bei einer Pressekonferenz eher scherzhaft vorschlug, endlich zu heiraten und zwar auf Tahiti, schien zumindest Royal zu schwanken. Sie, die normalerweise in Interviews die Ehe als eine „bourgeoise Institution“ klassifiziert, sinnierte nach einem harten Wahlkampftag gegenüber Journalisten, ob sie und Hollande nicht doch vor den Traualtar treten sollten. Der ließ flugs durch einen Sprecher mitteilen, Heirat sei absolute Privatsache und er halte nichts von einem solchen Spektakel auf der Südseeinsel.

Nicolas Sarkozy dagegen ist bereits zum zweiten Mal verheiratet – seine jetzige Frau Cécilia spannte er einem Freund aus. Der konservative Politiker verliebte sich in die elegante Tochter eines russischen Einwanderers just in dem Augenblick, als er sie als Bürgermeister von Neuilly mit einem TV-Moderator traute. Seine damalige Frau Marie war schwanger. Sarkozy sorgte dafür, dass die Paare in Kontakt blieben. Der Eklat kam vier Jahre später, als Ehefrau Marie bei einem gemeinsamen Skiurlaub auf der Suche nach ihrem Mann verdächtige Fußspuren entdeckte. Es waren die von Sarkozy – unter dem Fenster Cécilias. So schreibt es jedenfalls die Biographin des Politikers, Catherine Nay. Seit 1996 sind Nicolas und Cécilia verheiratet und haben zusammen einen Sohn. Doch die Turbulenzen hielten an: Als PR-Beraterin lernte die neue Madame Sarkozy den Eventmanager Richard Attias kennen. Im August 2005 erschienen dann Fotos in dem Klatschmagazin „Paris Match“, die Cécilia und Attias Händchen haltend zeigten.

Sarkozy kochte vor Wut: Von Verleger Arnaud Lagardère, Besitzer des größten Zeitschriftenhauses Frankreichs, forderte er den Kopf des verantwortlichen Chefredakteurs. Lagardère gehört genauso zu den Medienfreunden Sarkozys wie Martin Bouygues, Besitzer der größten Privatfernsehstation TF1, und Serge Dassault, Eigentümer der konservativen Tageszeitung „Le Figaro“. Schwere Turbulenzen bei „Paris Match“ waren die Folge. Nach neun Monaten erbitterten Tauziehens musste Chefredakteur Alain Génestar schließlich seinen Hut nehmen, die Redaktion trat in Streik – zum zweiten Mal in der fast 60-jährigen Geschichte des Blattes.

Der Ehe Sarkozys hat dieser Rachefeldzug des langjährigen Ministers wahrscheinlich wenig genutzt. Im Wahlkampf war Cécilia völlig abgetaucht. Dann die Überraschung am ersten Wahlsonntag – als ihr Mann seine Stimme abgab, zeigte sie sich an seiner Seite. Vielleicht will sie ja nun doch als „First Lady“ in den Elysée-Palast einziehen.

Ganz anders Francois Hollande: Er werde bei einem Royal-Wahlsieg nicht umziehen, er habe nicht vor, ein „Monsieur-Pièces-Jaunes“ zu werden, ließ er gallig verlauten – in Anspielung auf das karitative Engagement von Bernadette Chirac, Präsidentin der Krankenstiftung „Pièces Jaunes“. Wenig wahrscheinlich ist auch, dass Royal ihren Partner zum Regierungschef beruft, oder er unter ihrer Oberregie als Minister arbeiten möchte. Stattdessen erklärt Hollande immer wieder, er wolle Parteichef bleiben. Spekulationen über eine Beziehungskrise weist Royal zurück: „Wir sind noch zusammen, wir leben noch zusammen“, sagt sie. Umso intensiver jedoch bekämpfen sich die Entouragen der beiden. Als der Sprecher Royals im Fernsehen gefragt wurde, was der größte Schwachpunkt der Kandidatin sei, antwortete er zur Verblüffung des Moderators: „Ihr Partner Francois Hollande“. Royal reagierte milde. Sie legte ihm ein vierwöchiges Bußschweigen auf. Inzwischen ist er wieder in Amt und Würden.

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