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Politik: „Djindjic war eine Quelle des Optimismus“

Regierung ehrt ermordeten Premier: Sein Mut hat Serbien verändert / Fischer und del Ponte zum Staatsbegräbnis

Belgrad. Die serbische Hauptstadt Belgrad stand auch am Freitag ganz im Zeichen der Trauer um den ermordeten Ministerpräsidenten Zoran Djindjic. Die politische Führung versammelte sich gegen Mittag zu einer Gedenkfeier im Regierungsgebäude. An der Zeremonie nahmen die ranghöchsten Politiker des Landes teil sowie alle ausländischen Botschafter und die Vertreter der Kirchen. Einer der Vizepremiers, Zarko Korac, gedachte mit bewegenden Worten Djindjics als eines Mannes, dessen Mut Serbien verändert habe. „Er war eine Quelle des Optimismus für uns alle", sagte Korac sichtbar um Fassung ringend. „Djindjic war das Symbol und die Säule der Veränderungen und Reformen, die in Serbien unaufhaltsam voranschreiten.“ Er versicherte, dass die Auftraggeber des Mordes ihr Ziel, eine Rückkehr in die „unselige Vergangenheit“, nie erreichen würden. Korac kannte Djindjic seit 30 Jahren aus dessen Studentenzeit. Viele der anwesenden Minister hatten Tränen in den Augen. Vor dem Regierungsgebäude riss der Strom der Bürger nicht ab, die sich in das Kondolenzbuch eintragen wollten.

Die Polizei sucht weiter nach den Verantwortlichen für das Attentat. Die Regierung gab an, sie habe 56 Verdächtige festgenommen. Die drei Hauptverdächtigen, die mutmaßlichen Anführer der verdächtigten Zemun-Bande seien aber weiter auf freiem Fuß. Die Nachrichtenagentur Beta meldete, drei Mitglieder der nach einem Stadtteil von Belgrad benannten Mafia-Gruppe hätten nach Regierungsangaben um Zeugenschutz gebeten und wollten gegen ihre Komplizen aussagen. Am Rande von Zemun begannen am Freitag die Sicherheitskräfte mit dem Abriss eines Gebäudes, das einem der Anführer der verdächtigten Bande, Dusan Spasojevic, gehören soll. Am Donnerstagabend waren auch der frühere Geheimdienstchef des Milosevic-Regimes, Jovica Stanisic, und dessen Stellvertreter Franko Simatovic von der Polizei verhört worden.

Am heutigen Samstag wird Djindjic mit einem Staatsbegräbnis auf dem Neuen Friedhof von Belgrad beigesetzt. Vorher wird der Patriarch der serbisch-orthodoxen Kirche einen Gottesdienst abhalten. Viele Straßen der Hauptstadt wurden bereits am Freitagabend für den Autoverkehr gesperrt. Zahlreiche hochrangige ausländische Politiker haben ihre Teilnahme angekündigt. So soll sich unter anderem der derzeitige griechische EU-Ratspräsident Georgios Papandreou angesagt haben. Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer und Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul werden in Belgrad erwartet. Die vielen Staatsgäste und vor allem die Entscheidung der Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals, Carla Del Ponte, an dem Begräbnis teilzunehmen, stellt die serbischen Behörden vor große Sicherheitsprobleme. Der Radiosender B92 berichtete, Außenminister Goran Svilanovic habe versucht, Del Ponte von ihrem Besuch in Belgrad abzubringen.

Mit Spannung wird der Parteitag der Demokratischen Partei (DS) am Sonntag erwartet, deren Vorsitzender Djindjic war. Das die serbische Koalitionsregierung bildende Parteienbündnis DOS hat sich schon einig gezeigt, den Posten des Regierungschefs weiter der DS zu überlassen. Als aussichtsreichster Kandidat gilt der bisherige jugoslawische Innenminister und bisherige Parteivize Zoran Zivkovic (42). Der frühere Bürgermeister der südserbischen Stadt Nis gehörte lange zur Opposition gegen das Milosevic-Regime und steht für eine Fortsetzung des Reformkurses von Djindjic. Zivkovic sollte eigentlich für das Amt des neuen Verteidigungsministers von Serbien-Montenegro kandidieren. Der neue lose Staatenbund hatte im Februar den bisherigen Bundesstaat abgelöst und verfügt erst über ein neues Bundesparlament und den neuen Präsidenten Svetozar Marovic. Die Wahl des fünfköpfigen Ministerrats wurde wegen des Mordes an Djindjic verschoben.

Gemma Pörzgen

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