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Dokumentation: Auszüge aus Franz Münteferings Rede

Der scheidende SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hat am Montag beim Parteitag in Karlsruhe mit Nachdruck für den mit der Union ausgehandelten Koalitionsvertrag, die große Koalition und die Erneuerung des Sozialstaats geworben.

Karlsruhe - «Jetzt stehen wir vor der wichtigen Frage, ob wir in eine große Koalition gehen wollen. (...) Ich glaube, es geht. (...) Leicht wird das nicht, Koalitionen sind nie leicht, Regieren ist nie leicht. Aber besser, liebe Genossinnen und Genossen, mit der Kraft, die wir haben, mitregieren, als ohne Einfluss in der Opposition. Lasst es uns wagen. (...)

Was vorliegt, ist kein marktradikales Programm und kein populistisches. Westerwelle und Lafontaine werden nicht zustimmen können. Aber das spricht eher für das Programm. Das Programm hat hinreichenden sozialdemokratischen Geist. (...)

Die deutsche Wirtschaft muss stark sein - Voraussetzung dafür, dass wir Arbeit haben können und dass wir Wohlstand in diesem Land sichern können. Auch wenn manche uns das nicht glauben: Sozialdemokraten wissen, dass bei den Bilanzen schwarze Zahlen gut sind. Das ist eine Stelle, wo Schwarz unwidersprochen gut ist. (...) Mit starker Wirtschaft verbindet sich die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. (...)

Wir wollen keinen dicken Staat, keinen fetten Staat. Er darf ruhig schlank sein, aber er muss handlungsfähig sein (...) dass die Menschen in diesem Land wissen: in der Stunde existenzieller Not gibt es Versicherung, gibt es gegenseitige organisierte Solidarität. (...)

Wir müssen wollen, dass der Bund und die Länder sich konsolidieren. Wir dürfen nicht auf Pump leben und von der Substanz. Wir haben Lücken aufzufüllen, die riesig sind. Und davor darf man nicht weglaufen. (...)

Unsere Bürgerversicherung und die Kopfpauschale von CDU/CSU sind nicht vereinbar. Da kann man keinen Kompromiss draus machen. Und weil das nicht ging, haben wir gesagt, wir werden das im ersten Halbjahr 2006 miteinander zu beraten haben. Nun werdet ihr sagen, auch dann kann man keinen Kompromiss daraus machen. Dann sage ich: Das weiß ich. Ich sage Euch voraus, Genossinnen und Genossen, wir werden an der Stelle eine vernünftige Lösung finden müssen.

Vernünftig heißt, wir müssen in Deutschland wieder eine Situation hinbekommen, wo die großen politischen Blöcke, die SPD, die CDU und die CSU, was die großen sozialen Sicherungssystem angeht, eine gemeinsame Sprache sprechen. Es war eine große Sicherheit in diesem Lande auch, weil über Jahrzehnte es dieses Einvernehmen gab, weil, was die existenziellen Fragen der Menschen angeht, sie wussten, das hängt nicht an der nächsten Bundestagswahl. (...)

Die Frage, wie man erreichen kann, dass Bund und Länder gemeinsam Politik machen, ist die Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit und Überzeugungsfähigkeit dieser Regierung: Ob Bund und Länder sich verständigen können auf gemeinsames Handeln, ob wir in der Lage sind, an einem Strick zu ziehen, zur selben Zeit und in die selbe Richtung. Damit nicht, wie es Hans Eichel passiert ist, mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz, 17 Milliarden von den anderen abgelehnt werden, und anschließend die CDU-Bürgermeister sich darüber beschweren, dass sie kein Geld in der Kasse haben. (...)

Wir müssen den Mut haben, in diese große Koalition zu gehen und zu überzeugen. Und wenn wir überzeugen, dann bin ich sicher, werden die Menschen auch die große Koalition annehmen (...). Wenn wir erfolgreich sind, werden die Menschen uns auch dafür honorieren. (...)

Das einzige, das ich weiß, wir müssen 2005 gut sein, wir müssen 2006 gut sein, wir müssen 2007 gut sein und so weiter, dann werden wir 2009 auch noch 'ne Chance haben. Wahlkämpfe machen können wir, das haben wir drei Mal gezeigt. Das machen wir 2009 wieder, aber bis dahin müssen wir die Aufgaben erfüllen und nicht darüber reden, was irgendwo im Jahr 2009 dann vielleicht zu erreichen ist.»

(tso/dpa)

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