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Politik: Drei Jahre Arbeit vom Staat

Hunderttausende Hartz-IV-Empfänger haben keine Chance auf einen Job – ihnen soll geholfen werden

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Die Bundesregierung wird wahrscheinlich schon vom kommenden Jahr an den Weg für einen bundesweiten dritten Arbeitsmarkt frei machen. Ältere Langzeitarbeitslose, die auf absehbare Zeit keine Chance mehr auf einen Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt haben, sollen dann staatlich gefördert bis zu drei Jahre lang eine Beschäftigung erhalten.

Betroffen davon sind schätzungsweise zwischen 200 000 und 600 000 Menschen. Nach einer Expertenanhörung zu diesem Thema sagte Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) am Donnerstag, „ich gehe davon aus, dass wir das machen“. Außer dem Handwerksverband ZDH, der staatlich finanzierte Konkurrenz fürchtet, hätten alle Experten einen solchen Weg empfohlen.

Dass es in Deutschland einige hunderttausend Menschen gibt, die trotz Qualifizierung und Ein-Euro-Job keine reale Chance auf Vermittlung haben, hatten sich die Regierungspartner von Union und SPD schon in den Koalitionsverhandlungen vor einem Jahr eingestanden. In ihren Koalitionsvertrag nahmen sie deshalb einen entsprechenden Prüfauftrag auf. Die Voraussetzungen für einen solchen dritten Arbeitsmarkt sollen nun in den anstehenden Gesetzen zur Arbeitsmarktreform geschaffen werden.

Müntefering sagte, unter Hartz-IV- Empfängern gebe es Hunderttausende, die ganz unterschiedliche Vermittlungshemmnisse hätten. Unter anderem seien das alters- und qualifizierungsbedingte Hindernisse. Aber auch die schlichte Abwesenheit eines aufnahmefähigen regionalen Arbeitsmarktes, wie in vielen Regionen Ostdeutschlands, schloss der Minister ausdrücklich nicht aus. Diesen „Schwächsten“, wie es Müntefering nannte, müsste man helfen. Denn sie seien „erwerbsfähig, wenn auch nicht marktfähig“. Diskutiert wird nun im Arbeitsministerium darüber, den Kommunen und Landkreisen die Entscheidung darüber zu geben, mit welchen Mitteln sie solche Beschäftigungsverhältnisse schaffen könnten. Müntefering nannte beispielhaft städtische Beschäftigungsgesellschaften, aber auch Vereine und private Unternehmen, die Zuschüsse erhalten und die Betroffenen dafür mehrere Jahre lang beschäftigen sollen.

Gedacht ist unter anderem an verschiedenste Arten von gesellschaftlicher Arbeit, die zurzeit liegen bleibt, weil die Kommunen kein Geld haben, Privatunternehmen zu beauftragen. Das geht von der Instandsetzung von Spielplätzen über die Reinigung von Schulgebäuden bis hin zur Betreuung von älteren Menschen. Auch Investitionen in städtische Infrastruktur, die notwendig, aber am Markt nicht finanzierbar ist, sollten diese Gesellschaften übernehmen. Müntefering sagte, die Entscheidungen darüber müssten lokal getroffen werden.

Angelehnt an die bestehenden Integrationsmodelle für Behinderte denkt der Arbeitsminister auch an Kombimodelle, bei denen die Jobcenter Arbeitgebern Ausgleichszahlungen leisten, wenn sie betroffene ältere Langzeitarbeitslose einstellen. Wer für solche Beschäftigungsverhältnisse infrage kommt, soll auch vor Ort entschieden werden, und zwar von den Mitarbeitern der Jobcenter. Ausdrücklich schloss Müntefering jüngere Arbeitslose aus. Sie sollten über eine bessere Qualifizierung und Betreuung ihre Vermittlungshemmnisse abbauen und für einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt fit gemacht werden. Zu den Kosten eines solchen bundesweiten dritten Arbeitsmarktes äußerte sich der Minister zurückhaltend. Er rechne aber nicht mit großen Mehrbelastungen.

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