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Ungetragen: Kapitän Manuel Neuer mit der One-Love-Binde, die er in Katar nicht anlegen durfte.

© Imago/Ulmer/Teamfoto

Dreifache WM-Niederlage: Die Politisierung des Sports durch die Binde war ein Irrweg

Deutschland sabotiert sein Erfolgsmodell: Wie kann ein Land, das wirtschaftlich und geopolitisch auf eine regelbasierte Weltordnung setzt, zum Regelbruch aufrufen?

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die WM endet für die Deutschen mit einer dreifachen Niederlage: sportlich, moralisch, politisch. Das hat auch mit ihrer Arroganz im Auftreten zu tun – so, als hielten sie ihre Überlegenheit für garantiert.

Wie viele bittere Realitätstests müssen folgen, bis die Gesellschaft nüchtern über ihre Stellung im Weltmaßstab nachdenkt und darüber, welche Verhaltensweisen Erfolg versprechen und welche nicht?

Zum Symbol für diese Ignoranz wurde gleich zu Beginn der Konflikt um die One-Love-Binde. Ein überwältigender Teil der Wortführer schien es für eine großartige Idee zu halten, Regelbruch zu predigen.

Wer an einer WM teilnimmt, kennt die Vorgaben. Sport soll verbinden - politische und kulturelle Streitthemen sollen außerhalb der Stadien bleiben. Was Spieler auf dem Platz tragen dürfen und was nicht, ist geregelt.

Doch ausgerechnet Deutschland meinte, es müsse „ein Zeichen setzen“. Ein Land, das seinen Wohlstand und sein Ansehen der regelbasierten Weltordnung verdankt und es zum Ziel seiner Außenpolitik erklärt, die Stärke des Rechts gegen das Recht des Stärkeren durchzusetzen, wollte von bindenden Regeln nichts wissen.

Es war ihm auch egal, dass nur wenige Länder bei der Aktion mitmachen wollten, die große Mehrheit hingegen kein Verständnis zeigte und einige darin einen gezielten Affront gegen ihre Kultur sahen.

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von 32 Teams bei der WM wollten die Binde tragen, alle aus dem nördlichen Europa.

Wem das Fifa-Prinzip, Politik aus den Stadien herauszuhalten, nicht passt, kann austreten. Oder versuchen, Mehrheiten für eine Regeländerung zu gewinnen. Das Ziel verfolgt Deutschland ja auch in anderen internationalen Organisationen. Es möchte Regeln für Grundrechte, Klima- und Umweltschutz, friedliche Konfliktlösung und Rüstungskontrolle sowie gegen Ausbeutung und Kinderarbeit durchsetzen. Das erfordert Kompromissbereitschaft und einen langen Atem.

Nicht nur die Fifa hat ihre Schwächen, sondern auch die UN und viele andere globale Organisationen. Kein Wunder, die Demokratien sind in der Minderheit.

Die Deutschen sind nur ein Prozent der Erdbevölkerung, erwirtschaften aber vier Prozent des globalen Sozialprodukts. Diesen Wohlstand verdanken sie internationalen Regelwerken.

Die Devise, Regeln nur dann zu beachten, wenn sie nützlich erscheinen, und sie zu brechen, wenn sie hinderlich sind, kennt man von autoritären Regimen. Wenn Deutschland anfängt, zum Regelbruch aufzurufen, sabotiert es sein Erfolgsmodell.

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