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Dresden: Freunde planen Marwas Ort

Die Angehörigen der Ermordeten Marwa El-Sherbini werben für ein kulturelles Versöhnungszentrum in Dresden. Die ermordete Ägypterin soll der Begegnungsstätte ihren Namen geben.

Berlin/Dresden - Freunde und Weggefährten der in Dresden im Gerichtssaal erstochenen Marwa El-Sherbini wollen ein islamisches Kultur- und Erziehungszentrum in der sächsischen Hauptstadt aufbauen. Die Idee sei schon älter, schreiben die Initiatoren in einer Erklärung. Man habe, noch mit Unterstützung von El-Sherbini, dafür einen Verein gegründet. Nach ihrem Tod „fühlen wir uns verpflichtet, uns noch mehr anzustrengen“. Es gebe die „Hoffnung, dass in der wunderbaren Stadt Dresden, in der entschlossene Menschen es schafften, ein solch wunderbares Versöhnungssymbol wie die wiederaufgebaute Frauenkirche zu erreichen, auch wir es schaffen, einen weiteren Ort zu errichten, der der gegenseitigen Verständigung gewidmet ist“. Die Familie der Toten in Ägypten stehe hinter dem Bemühen.

Der Verein sammelt derzeit Geld für das Projekt, zu dem auch ein interkultureller Kindergarten gehören soll. Das Zentrum solle den Namen der Toten tragen und „unsere Pforte zur Verständigung sein, damit es keine zweite ermordete Marwa mehr gibt“, schreiben die Initiatoren weiter.

Marwa El-Sherbini war am 1. Juli im Dresdner Landgericht mit 18 Messerstichen von einem Mann getötet worden, der sie Monate zuvor auf einem Spielplatz massiv beleidigt hatte. Die Apothekerin aus Ägypten, die mit ihrem dreijährigen Sohn und ihrem Mann in Dresden lebte, einem Wissenschaftler am Dresdner Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, zeigte ihn daraufhin an. Weil der 28-jährige Alexander W. seine Geldstrafe nicht hinnehmen wollte, hatte er gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung eingelegt – ebenso wie der Staatsanwalt, dem es seinerseits um eine härtere Bestrafung des Mannes ging. Während der Verhandlung am 1. Juli stach W. auf El-Sherbini ein; ihr Mann, der ihr zu Hilfe eilte, wurde ebenfalls lebensgefährlich verletzt. Der dreijährige Sohn wurde Zeuge der Tat. Die Behörden untersuchen derzeit noch den politischen Hintergrund für die Tat des arbeitslosen Deutschrussen.

Während die Beerdigung der 31-jährigen Frau, die zum Tatzeitpunkt im dritten Monat schwanger war, in Iran und Ägypten Anlass zu feindseligen Kundgebungen gegen Deutschland gab (siehe Kasten), hat sich im Internet eine Trauergemeinde ihrer Freunde gefunden, die an ihr soziales Engagement und ihr Leben als Sportlerin und vorbildliche Schülerin und Studentin erinnern. Ihre Jugendfreundin Yasmine El Sharnouby, die mit ihr das English Girls’ College in Alexandria besuchte, schilderte sie dem Tagesspiegel als charismatisch, „eine Führungsfigur, die nicht nach Führungsaufgaben strebte“, „unsere lächelnde Schöne“. El-Sherbini war Schulsprecherin, spielte in der Handballmannschaft des Colleges und in einem der größten Sportclubs ihrer Heimatstadt und wurde schließlich in Ägyptens Handballnationalmannschaft berufen. Nach einem ausgezeichneten Schulabschluss 1995 konnte sie Pharmazie studieren und gründete nebenbei, weil sie die Ehemaligen-Vereinigung ihrer Schule etwas altmodisch fand, einen eigenen Club der Ehemaligen, der sich um Alte, Kinder und Kranke kümmerte und Wohltätigkeitsturniere veranstaltete. Nach Auskunft eines Freundes engagierte sie sich in diesem Club, bis sie mit ihrem Mann nach Deutschland zog, wo in Bremen, der ersten Station des Paars, der gemeinsame Sohn zur Welt kam.

Freunde von Marwa El-Sherbini hatten bereits in der vergangenen Woche an die Abgeordneten des Bundestags geschrieben und darum gebeten, mit ihrem Tod in einer Weise umzugehen, „dass wir unser verlorenes Vertrauen in die deutsche Gesellschaft zurückgewinnen“. Man habe gedacht, dass in diesem freien Land ein solches Verbrechen nicht geschehen könne, „doch offensichtlich ist es Ihnen nicht gelungen, den Rassismus an der Wurzel zu packen, und es gibt noch immer einige Ihrer Bürger, die auf eine verschleierte Frau herabsehen“.

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