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Politik: Drinnen und doch draußen

Studie: Viele Muslime in EU sind Diskriminierung ausgesetzt / „Integration ist ein beiderseitiger Prozess“

Berlin - Die Europäische Union fordert von den Mitgliedsstaaten mehr Einsatz für ihre muslimischen Bürger. „Viele europäische Muslime sind – unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft und ihrer Einstellung zur Religion – Diskriminierung in den Bereichen Beschäftigung, Bildung und Wohnungswesen ausgesetzt“, heißt es in einem Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC), der am Montag in Wien vorgestellt wurde. Die EUMC in Wien ist eine Agentur der Europäischen Union und wurde 1997 gegründet, um Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in den Staaten der EU zu beobachten und Mittel dagegen zu entwickeln. Frühere Berichte der Agentur beschäftigten sich unterr anderem mit der Lage von Juden und Roma.

Muslime – immerhin 3,5 Prozent der europäischen Bevölkerung – würden aber auch Opfer massiver Angriffe, die von Drohungen bis zu handgreiflichen Attacken reichten. Dabei kritisiert die Beobachtungsstelle, dass es noch sehr wenige offizielle Daten über muslimfeindliche Gewalt und Diskriminierung gibt: Lediglich Großbritannien weist in seiner Kriminalstatistik Muslime gesondert als Opfer von Hassdelikten aus; nur dort und in Finnland gibt es Möglichkeiten, Details zur Herkunft eines Gewaltopfers zu erheben.

Wesentlicher allerdings als einzelne Attacken findet das Zentrum, inwieweit sich Muslime selbst für angenommen und in der Gesellschaft integriert fühlen, in der sie leben. Die Wiener Beobachter machten deshalb zwischen 2002 und 2005 Pilotstudien zur Diskriminierung von Migranten in mehreren EU-Ländern. Die Ergebnisse seien zwar nicht direkt vergleichbar, sie lieferten aber „nützliche Informationen über die Erfahrung ausgewählter Migrantengruppen und für einige Länder auch zu Erfahrungen, die Muslime machen“, schreiben sie.

Dabei fanden die Forscher für die Niederlande einen engen Zusammenhang heraus zwischen dem Maß an Diskriminierung, über das die Migranten berichteten, und dem Grad ihrer Integration in die niederländische Gesellschaft. Die beiden Gruppen, die sich am wenigsten integriert und am stärksten diskriminiert fühlten, waren Türken und Marokkaner, beides mehrheitlich muslimische Gruppen. Die Studie, heißt es im Bericht, werfe zwar eine „Henne und Ei“- Frage auf, ob Diskriminierung Integration behindere oder ob umgekehrt mangelnde Integration zu Diskriminierung führe: „Was auch immer stimmt, es zeigt der Politik, dass es zwingend nötig ist, Diskriminierung wirksam entgegenzutreten und gleichzeitig die Integration auf allen Gebieten des sozialen Lebens voranzubringen.“

Als aufschlussreich vor allem für Deutschland zeigen sich im Bericht des EUMC Umfragen des Jahres 2006 über die Einstellungen europäischer Gesellschaften zu den Muslimen. Dabei äußern sich Deutsche auffällig misstrauisch: 88 Prozent von ihnen meinen zum Beispiel, Muslime wollten „anders sein“. Nur 68 Prozent der Spanier waren dieser Auffassung, 65 Prozent der Niederländer, 61 Prozent der Briten und 59 Prozent der Franzosen. Auf die Frage „Gibt es Konflikte, wenn man als s gläubiger Muslim in einer modernen Gesellschaft lebt?“ sagten 70 Prozent der Deutschen ja, 58 Prozent der Spanier, 54 Prozent der Briten und nur 26 Prozent der Franzosen.

Die Direktorin des EUMC, die Deutsche Beate Winkler, wandte sich bei der Vorstellung des Berichts allerdings auch an die Muslime in der Europäischen Union: „Integration ist ein beiderseitiger Prozess.“ Viele Muslime gäben zu, dass sie selbst sich mehr um Teilhabe in ihren Gesellschaften bemühen müssten. Um den Zusammenhalt in den europäischen Gesellschaften zu stärken, sei die „Achtung der Vielfalt“ nötig.

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