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Politik: Durchsichtige Urnen

Syrien wählt ein neues Parlament – die meisten Oppositionellen sind in Haft

Auch in Syrien bewegt sich etwas: Bei den Parlamentswahlen am Sonntag werden erstmals durchsichtige Wahlurnen benutzt, und die Ausgaben für den Wahlkampf wurden pro Kandidat auf umgerechnet 42 000 Euro begrenzt, um massiven Stimmenkauf zu verhindern. Doch was das Regime von Präsident Bashar al-Assad als Reformen hinstellen mag, ändert nichts am Wahlergebnis, das die Verfassung vorschreibt: Zwei Drittel der 250 Parlamentssitze gehen an die regierende Baath-Partei und die mit ihr liierte Koalition kleiner Parteien. Um die 83 Sitze für unabhängige Kandidaten bewerben sich Unternehmer und zweitrangige Baath- Politiker, die es nicht auf die Hauptliste der Partei geschafft haben.

Oppositionsparteien gibt es nicht, und die führenden Oppositionellen wie Michel Kilo, Anwar al Bunni oder Kamal Labwani sitzen im Gefängnis. Dissidenten wie der Geschäftsmann Riad al-Seif oder Ma Homsi, die bei den letzten Wahlen den Sprung ins Parlament schafften, wurden mit Gefängnis bestraft. Angesichts der gesicherten absoluten Mehrheit der regimetreuen Abgeordneten ist die Aufgabe des Parlaments auf die Absegnung der Regierungspolitik beschränkt. Daher ist die Bevölkerung trotz der omnipräsenten Wahlposter nicht wirklich im Wahlfieber: Unabhängige Beobachter erwarten eine ähnliche Wahlbeteiligung wie bei den letzten Parlamentswahlen: Sie wurde auf vier bis zehn Prozent geschätzt.

Für das Regime ist die Parlamentswahl die Generalprobe für das Referendum, das Ende Mai Präsident Assad für weitere sieben Jahre im Amt bestätigen soll. Beide Wahlen sollen dem Ausland zeigen, dass die Bevölkerung geschlossen hinter dem international isolierten Regime steht. Daher waren kontroverse Themen wie politische Reformen, Menschenrechte, das Verhältnis zu Libanon, die Kurdenfrage oder auch das Verhältnis zu Iran und mögliche Verhandlungen mit Israel kein Thema im Wahlkampf. Das Regime hat sich stattdessen bemüht, seine graduellen Wirtschaftsreformen als Erfolg zu vermarkten. Eine Flut von Wirtschaftsdaten soll belegen, dass die Wirtschaft boomt. Der Finanzsektor hat zweifellos von der Öffnung profitiert. Zweifel an der Zuverlässigkeit der Daten kommen jedoch auf, da diese häufig korrigiert wurden. So wurde die Inflationsrate für 2006 zunächst mit 17,9 Prozent angegeben, um dann auf 10,5 Prozent herabgesetzt zu werden. Das reale Wachstum des Bruttosozialprodukts für 2005 wurden von zunächst vier auf 8,5 Prozent erhöht. Für sich verbuchen kann Präsident Assad, dass er die Beziehungen zu Regionalmächten wie Saudi-Arabien und Ägypten entspannen konnte. Doch auch die Besuche der amerikanischen Parlamentssprecherin Nancy Pelosi oder des EU-Beauftragten für Außenpolitik, Javier Solana, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das syrische Regime international weiterhin unter Druck steht. Dies wird andauern, solange der Streit um die Einsetzung eines Tribunals zur Aufklärung des Mordes am libanesischen Ex-Präsidenten Rafiq Hariri nicht beigelegt ist.

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