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Isoliert. Mitarbeiter des Roten Kreuzes liefern Lebensmittel an die Familie unter Quarantäne.

© dpa

Update

Ausbruch aus Afrika: Wie das Ebola-Virus in die USA kam

Erstmals wurde außerhalb Afrikas diagnostiziert. Der Patient hat sich in Liberia infiziert, als er einer Schwangeren half. In den USA wurde die Krankheit nicht sofort erkannt - und der Mann hatte Kontakt zu Schulkindern.

Dieses Mal war es kein Fehlalarm. Ebola hat erstmals den afrikanischen Kontinent verlassen und seinen Weg in eine Industrienation gefunden. Am Dienstagabend trat der Direktor der amerikanischen Seuchenbehörde CDC in Atlanta vor die Presse und bestätigte, dass ein Patient in Texas an dem Virus erkrankt sei. Während sich Thomas Frieden bemühte, jede Hysterie im Keim zu ersticken, übertrugen Fernsehsender wie Fox die Pressekonferenz live. „Alarm, Alarm“ lief als Endlosschleife durch das Bild. Das Weiße Haus informierte derweil über Twitter seine Bürger:„Fakten zu Ebola: Sie können sich nicht über die Luft anstecken. Sie können sich nicht über Wasser anstecken. Sie können sich in den USA nicht über Nahrungsmittel anstecken.“

Der Mann wird auf der Isolierstation des Texas Health Presbyterian Hospital in Dallas intensivmedizinisch behandelt. Sein Zustand ist kritisch. Um die Privatsphäre des Patienten zu schützen, machten die US-Behörden zunächst keine näheren Angaben zu seiner Person, seiner Behandlung oder seiner Staatsangehörigkeit. Aus Liberia kam kurz darauf die Nachricht: Der Mann heißt Thomas Eric Duncan, er hat sich in Monrovia infiziert. Seine Geschichte offenbart, welche Auswirkungen der Zusammenbruch des Gesundheitswesens in Liberia und den anderen westafrikanischen Staaten hat.

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Duncan hatte erst Anfang September seinen Job in Monrovia gekündigt, endlich hielt er ein Visum für die USA in den Händen und bereitete alles für die Ausreise zu seiner Familie vor. Doch dann war die Familie seines Vermieters in Not, berichtet die "New York Times". Die 19-jährige Tochter, im siebten Monat schwanger, hatte am 15. September schwere Krämpfe. Kein Krankenwagen holte sie ab. Die Familie trug die junge Frau zu einem Taxi und fuhr mit ihr gemeinsam zum John-F.-Kennedy-Krankenhaus. Doch sowohl auf der Gynäkologie als auch der Ebola-Station wurde sie abgewiesen. Der Familie blieb nichts anderes übrig, als sie wieder mit nach Hause zu nehmen. Sie starb wenige Stunden später. Ähnlich erging es ihrem Bruder und Frauen aus der Nachbarschaft, die Mitleid mit ihr hatten und helfen wollten.

Am Abend des 19. September bestieg Duncan in Monrovia ein Flugzeug Richtung USA, mit Zwischenstopps in Brüssel und Washington. Er hatte weder Fieber noch andere Symptome. Auf einem Formular kreuzte er an, er habe keinen Kontakt zu Ebola-Patienten gehabt - ob er bewusst gelogen hat oder nicht wusste, woran seine Nachbarin starb, ist unklar. „Es bestand kein Risiko für die Passagiere dieses Linienflugs“, betonte Frieden. Während der meist acht- bis zehntägigen Inkubationszeit kann man niemanden anstecken. Und die ersten Krankheitszeichen machten sich erst am 24. September bemerkbar.

„Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir das Virus stoppen“

Als er sich immer kränker fühlte, wandte er sich am Freitag, den 26. September, an die Notaufnahme des Texas Health Presbyterian Hospital. Er wurde nach Hause geschickt. Wie das passieren konnte, beantwortete Frieden ausweichend: „Die ersten Symptome wie Fieber und Übelkeit können leicht verwechselt werden.“ Am Mittwoch gab das Krankenhaus zu, dass eine Krankenschwester zwar nach Reisen gefragt hatte. An den behandelnden Arzt wurde diese Information aber nicht weitergegeben, so dass sie bei der Diagnose nicht beachtet wurde. Er ging zurück zu seiner Familie und hatte unter anderem Kontakt zu fünf Schulkindern, die vier verschiedene Schulen in Dallas besuchen.

Sein Zustand verschlechterte sich weiter. Am 28. September wurde der Mann mit dem Krankenwagen ins Texas Health Presbyterian Hospital eingeliefert. Dort isolierten ihn die Ärzte sofort und ordneten einen Ebola-Test an. Am Dienstagnachmittag stand fest: Er trägt das tödliche Virus in sich.

Was nun folgt, ist Standard. Der Patient wird bestmöglich versorgt, gleichzeitig suchen die Behörden akribisch nach allen, die engen Kontakt mit ihm hatten. Ihre Gesundheit wird dann drei Wochen lang überwacht. „Das betrifft eine Handvoll Menschen“, sagte Frieden zunächst. Dann war von 18 und schließlich von 100 Kontaktpersonen die Rede. Unter Quarantäne sind Familienangehörige, die im gleichen Apartment leben, die fünf Schulkinder und drei Rettungssanitäter der Feuerwehr in Dallas, die den Mann ins Krankenhaus brachten. Zwei Mal täglich kommen Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden vorbei, um Fieber zu messen und nach anderen Symptomen zu fragen. Ihnen wird Essen geliefert, die Wohnung wurde von einer spezialisierten Reinigungsfirma desinfiziert. Alle Eigentümer von Duncan und die Bettwäsche wurden aus der Wohnung entfernt. Die Schulkinder bekommen Fernunterricht. Auch die Sanitäter sollen nicht zur Arbeit kommen. Die übrigen erwachsenen Kontaktpersonen dürfen ihre Wohnungen jederzeit verlassen, ihre Gesundheit wird jedoch ebenfalls jeden Tag überprüft. Sobald sie Symptome bekommen, werden sie ebenfalls ins Krankenhaus eingeliefert. Die CDC hat ein Team nach Texas geschickt, um die örtlichen Behörden zu unterstützen. Sie arbeiten die Liste möglicher Kontaktpersonen ab beziehungsweise erweitern oder kürzen sie fortlaufend.

„Ebola kann Angst einflößen. Aber es besteht ein enormer Unterschied zwischen den USA und den Teilen Afrikas, wo sich das Virus verbreitet. Wir werden sicherstellen, dass dieser Fall unsere Bürger nicht bedroht“, sagte Frieden. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir das Virus stoppen.“ In den vergangenen Wochen habe die CDC Krankenhäuser auf solche Fälle vorbereitet. Nach den Berechnungen der Seuchenbehörde könnten sich bis Januar eine halbe Million Menschen in Westafrika mit Ebola infizieren. Je mehr die Seuche in Afrika um sich greift, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus exportiert wird.

Ebola erstmals außerhalb Afrikas diagnostiziert.

© AFP

Ausbreitung in Nigeria verhindert

In den letzten zehn Jahren erkrankten in den USA fünf Mal Menschen an einem hämorrhagischen Fieber; vier hatten sich mit dem Lassa-Virus infiziert, eine Person mit Marburg. Die Fälle führten nie zu einem Ausbruch. 2008 kehrte eine Afrikatouristin mit dem Marburg-Virus in die Niederlande zurück. Sie starb, steckte aber niemanden an. Selbst in Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Staat Afrikas, konnten die Ärzte den Ebola-Ausbruch anscheinend unter Kontrolle bringen. Ein liberianisch-amerikanischer Geschäftsmann hatte das Virus am 20. Juli nach Lagos geschleppt und etwa 20 weitere Menschen infiziert. Mittlerweile haben etwa 900 Kontaktpersonen die dreiwöchige Quarantäne hinter sich. Ihnen wurden 18 500 Besuche abgestattet.

Organisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ haben Regeln für aus Westafrika zurückkehrende Helfer, die engen Kontakt mit Ebola-Patienten hatten. Sie sollen sich während der Inkubationszeit nicht weit von einem Krankenhaus entfernen und sich dort melden, sobald sie Symptome bemerken. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt diesen Ärzten, in den ersten drei Wochen nicht zu arbeiten.

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