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Politik: Echt provinziell

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Dem Kulturteil größerer Gazetten des Landes entnehmen wir dieser Tage mit gelindem Schrecken, dass man Berlin vergessen kann. Das ist zwar nur literarisch gemeint: Der Trend der Saison gehe zur Provinz.

Von Robert Birnbaum

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Dem Kulturteil größerer Gazetten des Landes entnehmen wir dieser Tage mit gelindem Schrecken, dass man Berlin vergessen kann. Das ist zwar nur literarisch gemeint: Der Trend der Saison gehe zur Provinz. Aber wie das so ist mit den Moden – im Feuilleton fangen sie an, und keiner weiß, wo sie enden. Schauen wir uns also sicherheitshalber schon mal um in der Provinz.

Wir begeben uns zu diesem Zweck auf den Landesparteitag der nordrhein-westfälischen FDP. So ein Parteitag ist Provinz im Konzentrat; 400 Funktionäre aus Stadt und Land, basisnah und erdverwachsen. Das Erlebnis indes, man kann es nicht anders nennen: befremdlich. Sehr, sehr merkwürdige Sitten. Anträge zum Beispiel haben da den Charakter geheimer Kommandosachen, die einem Presseschreiberling erst auszuhändigen sind, wenn der Antragsteller das gnädig abgenickt hat. Auch der gemeine Delegierte – gewöhnungsbedürftig. Freie Demokraten aus der Provinz erkennt man an ihrer etwas eigenwilligen Auslegung des Parteiprogramms: Liberal ist, wenn ich daherreden kann wie ich will, und die anderen müssen zuhören, weil sie sonst nicht liberal wären.

Nun wollen wir an dieser Stelle gewiss nichts gegen die freie Meinungsäußerung sagen. Aber muss es wirklich gleich die Freiheit von Verstand und Logik sein? Dass die Würde des Menschen unantastbar sei, trug einer gravitätisch vor, und das steht ja auch wirklich so im Grundgesetz. Aber nicht einmal im Gesetzeskommentar von Maunz/Düring/Herzog wird der Artikel eins dahingehend ausgelegt, dass er Parteiordnungsverfahren gegen Jürgen W. Möllemann verbiete. Tja, was wir nur kurz sagen wollten: Vergesst die Provinz!

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