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Die familienpolitischen Leistungen taugen nichts, so lautet das Ergebnis einer Untersuchung.

© dpa

Ehegattensplitting, Kindergeld und Co.: Familienpolitik auf dem Prüfstand

Familien genießen verschiedene familienpolitische Leistungen. Doch die Betrachtung zeigt: Kindergeld, Elterngeld und Ehegattensplitting gehen an der Wirklichkeit der Betroffenen vorbei.

Von Antje Sirleschtov

Man kann die Zahlung von Kindergeld an eine Familie unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten – und kommt immer zu ganz unterschiedlichen Urteilen. Schaut man aus der Richtung der Beschäftigung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, dann ist das Kindergeld reine Verschwendung. Schließlich würden Mütter mehr Stunden arbeiten, erhielten sie nicht jeden Monat Geld von der Kindergeldkasse. Aus dem Blickwinkel der Gerechtigkeit gesehen, ist das Kindergeld ebenso eine Fehlleistung, denn Millionäre bekommen es genauso wie Kleinverdiener. Hartz-IV-Empfängern, die es am nötigsten bräuchten, wird es von ihren Bezügen abgezogen.

Man könnte jede familienpolitische Leistung aus unterschiedlichen Seiten betrachten, was die Bundesregierung Wissenschaftlern 2009 aufgegeben hat. Insgesamt 13 Untersuchungen aller Familienleistungen sollen auf diese Weise bis zum Herbst 2013 bewertet werden. Am Sonntag hatte der „Spiegel“ eine der Untersuchungen herausgezogen und zum Maßstab jeder staatlichen Unterstützung erklärt. Ergebnis: Weder Kindergeld noch Elterngeld noch Ehegattensplitting taugen etwas. Das einzig Gute sind Investitionen in Kinderbetreuung. Durch die Arbeitsmarktbrille gesehen ist das verständlich: Wer seine Kinder rund um die Uhr betreuen lässt, steht dem Arbeitsmarkt unendlich zur Verfügung. „Zutiefst unmenschlich“ sei das, sagte am Montag eine Sprecherin von Familienministerin Kristina Schröder (CDU). Politik müsse alle Familien im Blick haben, nicht nur die für den Staat vermeintlich produktiven.

Nach Angaben der Ministeriumssprecherin gab der Staat 2010 rund 203 Milliarden Euro für 148 familien- und acht ehebezogene Leistungen aus. Davon bezögen sich 125,5 Milliarden Euro allein auf die Familien. Allerdings seien davon wiederum lediglich 55,4 Milliarden Euro Familienförderung im engeren Sinn. Der andere Teil gehe in den Familienlastenausgleich, um etwa die verfassungsmäßige Freistellung des Existenzminimums von Kindern zu ermöglichen. Die Leistungen reichen vom Kindergeld bis zur beitragsfreien Mitversicherung der Ehegatten in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Ob die Gesamtbewertung der Bundesregierung aller Leistungen, also die Ergebnisse der Langzeituntersuchung, noch vor der Bundestagswahl veröffentlicht wird, ist unklar. Immer deutlicher wird indes, dass sich das Thema zu einem der zentralen Wahlkampfthemen entwickelt. Nicht nur, weil in diesem Sommer der Rechtsanspruch auf Betreuung von Kleinkindern in Kitas wirksam wird und man mit massenhaft Klagen rechnen kann, weil noch immer nicht ausreichend Kitaplätze vorhanden sind.

Sondern auch, weil gerade die SPD umfangreiche Veränderungen in den Familienleistungen plant. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück etwa will im Fall eines Wahlsieges das gesamte System der familienpolitischen Leistungen auf den Prüfstand stellen. „Wir brauchen eine Umstellung der Familienpolitik“, sagte er „Spiegel online“. In Zukunft könne es nicht darum gehen, an einzelnen Instrumenten „herumzustricken“, fügte er hinzu. Die SPD wolle so viel Geld wie möglich in den Ausbau der Infrastruktur stecken. Der Schwerpunkt müsse auf einer verbesserten Betreuung von Kleinkindern und Schülern liegen. Außerdem will Steinbrück das Ehegattensplitting für Familien in der gegenwärtigen Form abschaffen. Wer in Zukunft Splitting beantragt, soll nach Vorstellungen Steinbrücks nur noch bedacht werden, wenn er Kinder hat. Auch das von Union und FDP gerade erst eingeführte Betreuungsgeld für Kinder, die nicht in eine Kita gehen, will Steinbrück abschaffen.

Experten wie der Leiter des Heidelberger Büros für Familienfragen und soziale Sicherheit, Kostas Petropulos, warnen jedoch vor einer zu heftigen Auseinandersetzung mit jeder einzelnen familienpolitischen Leistung. Ziel dürfe nicht die totale Arbeitsmarktvermarktung von Eltern sein, kritisierte er im Deutschlandfunk. Eine „Fixierung auf das Geld“ gehe völlig an der Lebenswirklichkeit der Familien vorbei. „Fakt ist, dass bei uns hierzulande Kinder das Armuts- und Berufsrisiko Nummer eins sind“, sagte der Experte.

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