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Politik: Eher schlau als klug: Die Liberalen bewegen sich Richtung SPD - oder tun sie nur so? (Kommentar)

Mit ihren Ehrenvorsitzenden haben es die einstigen Regierungsparteien nicht leicht. Die eine - nun, das ist hinlänglich bekannt.

Von Robert Birnbaum

Mit ihren Ehrenvorsitzenden haben es die einstigen Regierungsparteien nicht leicht. Die eine - nun, das ist hinlänglich bekannt. Die andere hat einen, der heißt Otto Graf Lambsdorff. Lambsdorff hat sich öffentlich Gedanken gemacht über die Zukunft der FDP. In Kurzform lautet seine Analyse: Die CDU steht schlecht da, die SPD ist auf absehbare Zeit die einzige große Partei mit Aussicht auf politische Führerschaft. Zur Mehrheit müssen ihr nicht unbedingt die Grünen verhelfen; das könnte auch die FDP. So weit der Graf.

Lambsdorff hat Erfahrung mit derlei Volten, hat er doch 1982 jenes wirtschaftspolitische Konzept geschrieben, das die Abwendung der FDP von der SPD und die Hinwendung zur Union begründete - als "Wendepapier" ist es berühmt geworden. Abstrakt betrachtet kann man Lambsdorff wenig entgegenhalten. Tatsächlich ist im Moment nicht zu erkennen, wie die CDU es schaffen soll, bis zur Bundestagswahl 2002 wieder politisch satisfaktionsfähig zu werden. Fällt sie als Partner für die FDP aus, bleibt in der Tat nur die SPD.

Ginge das - eine sozialliberale Neuauflage? Natürlich ginge das. Die Wende würde sogar einfacher funktionieren als je zuvor - es bedürfte nicht einmal eines Wendepapiers, also einer inhaltlichen Begründung. Die Schröder-SPD pflegt zwar ab und an noch eine Rhethorik, die an alte Traditionen anknüpft. Sie verfolgt - Stichwort Scheinselbständigen-Gesetz - immer noch Vorhaben, die in diesen Traditionen begründet sind. Aber die scharfen Differenzen in der Wirtschafts-, Sozial- und Fiskalpolitik, die noch in den 80ern die politische Auseinandersetzung prägten, sind einem allgemein-diffusen Liberalismus gewichen. Irgendwie neo alles.

Nun hieße es Lambsdorffs Intelligenz unterschätzen, wollte man wirklich annehmen, er habe sich nur mal so Gedanken über etwas gemacht, was frühestens in knapp drei Jahren aktuell wird. Der Verdacht, er wolle einer viel näher liegenden Wende den Weg bereiten, kommt nicht von ungefähr. In Schleswig-Holstein wird am Sonntag gewählt. Ein Sieg von CDU und FDP käme einem Wunder gleich. Für den FDP-Spitzenmann Wolfgang Kubicki kam die CDU-Affäre allerdings zu spät, um sich noch von der Koalitionsaussage zugunsten der Christdemokraten loszusagen. Es würde ihm auch wenig nützen - nur bei einem ziemlich exotischen Wahlausgang, einem Gleichstand zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb, entstünde für die SPD die Notwendigkeit, auf die FDP zuzugehen.

Anders ist die Lage in Nordrhein-Westfalen. Dort wird im April gewählt. Der Spitzenkandidat Jürgen Möllemann hat bisher jede Koalitionsaussage sorgfältig vermieden. Möllemann, das nur am Rande, war seinerzeit Lambsdorffs Favorit für die FDP-Führung, als der Graf selbst den Vorsitz räumte. Was liegt also näher als die Vermutung, der in der Partei geachtete Lambsdorff wolle einem sozialliberalen Bündnis an Rhein und Ruhr schon mal vorsorglich die höheren Weihen verleihen? Schlau ist das. Ist es auch klug?

Dass den Freidemokraten derzeit die Wähler zulaufen, verdanken sie weder ihren brillanten Köpfen noch ihrem politischen Programm. Sie verdanken es einzig und allein der Krise der CDU. Die FDP profitiert von verunsicherten Anhängern des bürgerlichen Lagers, die nicht mehr CDU wählen mögen, aber weder in Stimmenthaltung noch in der SPD eine Alternative sehen. Ob diese Wähler immer noch FDP wählen, wenn sie damit ein sozialliberales Bündnis stützen würden, ist eher zweifelhaft. Insofern liegt FDP-Chef Wolfgang Gerhardt mit seinem Versuch vermutlich richtiger, die Liberalen einstweilen in Äquidistanz zu CDU und SPD zu halten und die Liberalen als eigenständige Kraft zu profilieren. Gerhardts Kurs hat freilich einen logischen Schwachpunkt: "FDP pur" ist ein Stück, das nur in der Opposition gegeben werden kann. All die hehren Prinzipien bleiben folgenlos, solange sich die FDP nicht einem der Großen als Mehrheitsbeschaffer zur Verfügung stellt. Die Frage ist also nur, welchem.

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