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Politik: Ehrensache

Viele Iraner stehen hinter der Atomforschung – ein Verzicht würde den Nationalstolz verletzen

Die Atomforschung interessierte die meisten Iraner nicht – bis vor zwei Jahren. Doch seit die USA und andere Staaten der westlichen Welt versuchen, der Islamischen Republik das Recht auf ihre Atomforschung und zivile Nuklearenergie streitig zu machen, ist das Thema zu einer Frage des nationalen Stolzes geworden. So lautet die Einschätzung des iranischen Professors für Geopolitik, Pirus Mojtahedsadeh, der an der TM-Universität in Teheran unterrichtet und in London das Forschungsinstitut Urosevic leitet.

Die Iraner fühlten sich als Opfer der USA, die die Interessen Israels durchsetzen wollten, sagt Mojtahedsadeh. Die Wiedereröffnung der Forschungseinrichtungen in Natans werde daher von einem nationalen Konsens getragen. „Das ist kein Bruch von Abkommen“, erklärt der Spezialist für Außenpolitik. „Die erste Runde der Verhandlungen war gescheitert, das haben beide Seiten sich vor langer Zeit eingestanden.“ Die Aussetzung der Forschung zur Urananreicherung sei immer nur freiwillig und temporär gewesen – für die Zeit der Verhandlungen – das habe die iranische Führung immer klar gemacht. Laut Nichtverbreitungsvertrag, den Iran ebenso wie ein Zusatzprotokoll unterzeichnet hat, hat die islamische Republik das Recht auf die Entwicklung ziviler Atomenergie. Daher sei es wenig hilfreich, wenn Europa „nicht völlig legale Forderungen“ aufstelle. Allerdings räumt Mojtahedsadeh ein, dass die israelfeindlichen Äußerungen von Präsident Mahmud Ahmadinedschad dazu beitrügen, dass sich die mehr als fünf Jahre alte Nukleardebatte mit den neuen, aggressiven außenpolitischen Tönen vermische.

Während man davon ausgehen kann, dass die Äußerungen Ahmadinedschads, Iran werde Israel auslöschen, angesichts der weltweiten Proteste vom politischen Establishment Irans nicht unbedingt mit Wohlwollen aufgenommen wurden, scheint in der Nuklearfrage Einhelligkeit zu bestehen. So hat der oberste Religionsführer, Ajatollah Ali Chamenei, am Wochenanfang erklärt, Iran habe das „nicht verhandelbare Recht“ zur Entwicklung ziviler Nuklearenergie und könne durch „Drohungen nicht eingeschüchtert“ werden. Dies wurde allgemein als Zustimmung zur Wiederaufnahme der Forschungsarbeiten gewertet.

Auch der mächtige Vorsitzende des Wächterrates, Akbar Rafsandschani, der als pragmatisch und an besseren Beziehungen zum Westen interessiert eingeschätzt wird, stellte sich öffentlich hinter die Entscheidung: Er warf dem Westen am Donnerstag in einer Predigt „koloniale Mentalität“ vor, die darauf aus sei, islamischen Nationen atomare Technik vorzuenthalten und ihre Unterentwicklung fortzuschreiben. Iran werde sich nicht beugen, denn das Nuklearprogramm entspreche dem „Wunsch der Nation“. Die Reformer in Iran haben sich in der Frage dagegen zurückgehalten, fürchten jedoch eine weitere Isolation Irans.

Auch die arabische Welt hat sich in dem Streit bisher wenig zu Wort gemeldet. Doch fürchten die zumeist sunnitisch dominierten Golfstaaten allgemein die Stärkung Irans und der Schiiten in Irak. Nach Ansicht Mojtahedsadehs hat die „traditionelle Rivalität“ zwischen Iran und der arabischen Welt zwar die Grundlage verloren. Das arabische Misstrauen gegenüber den „leeren Slogans“ der islamischen Revolution habe zum Iran-Irak-Krieg geführt und daraus habe man Lehren gezogen, glaubt Mojtahedsadeh. Daher führe es auch nicht zu Ängsten in der arabischen Welt, dass der Westen Irans Beteuerungen, kein militärisches Atomprogramm anzustreben, nicht glaube.

Analysten in Saudi-Arabien sehen das anders. Sie haben immer wieder ihrer Furcht Ausdruck verliehen, der benachbarte Iran könne Atommacht werden. Allerdings ist das Entsetzen in der arabischen Welt über die amerikanische Unterstützung Israels und die US-Besetzung des Iraks so groß, dass arabische Politiker kaum wagen, sich öffentlich in dem Streit auf die Seite Washingtons zu stellen. Ebenso wie nach Ahmadinedschads anti-israelischen Äußerungen hüllt man sich in Schweigen.

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