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Politik: Eiertanz um den Euro

Die SPD stützt Merkel – und meldet Wünsche an.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Bloß kein falsches Wort, wird sich Frank-Walter Steinmeier gesagt haben, bevor er ans Rednerpult geht. Der Bundestag debattiert am Donnerstag zum ersten Mal die Gesetzentwürfe zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM und zum europäischen Fiskalpakt, und dem SPD-Fraktionschef fällt dabei eine ziemlich undankbare Rolle zu: Er muss mit Muskeln spielen, die er gar nicht hat.

Sicher, SPD und Grüne könnten den Fiskalpakt zu Fall bringen, braucht die Regierung doch eine Zwei-Drittel-Mehrheit für die europäische Schuldenbremse. Praktisch ist es aber völlig unvorstellbar, dass die gleiche SPD, die bisher Angela Merkels Euro-Rettungskurs freiwillig mitgetragen hat, ihre europäische Verantwortung ausgerechnet dann beiseite lässt, wenn es auf ihre Stimmen ankommt.

Andererseits – bloß der Regierung hinterherlaufen kann eine Opposition, die auf sich hält, auch wieder nicht. Steinmeier entledigt sich des Eiertanzes nicht unelegant. „Herr Kauder, gehen Sie nicht davon aus, dass Ihnen die Zustimmung zu ESM und Fiskalpakt einfach so in den Schoß fällt“, ruft er dem Unionskollegen zu. „Unernsthaftigkeit“ wirft er dem FDP-Kollegen Rainer Brüderle vor, der in den letzten Tagen kühl behauptet hatte, die Opposition werde für ihre Zustimmung nichts bekommen.

Auch Wünsche meldet Steinmeier an: Maßnahmen für Wachstum und gegen Jugendarbeitslosigkeit in den Krisenländern, dazu eine „Finanzmarktbesteuerung“. Das Reizwort „Finanztransaktionssteuer“ fällt nicht. Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin macht einen kleinen sprachlichen Bogen darum: Er fordert „die Besteuerung von Finanztransaktionen“. Vor allem aber meiden der SPD-Mann wie der Grüne ein zweites Wort nebst allen seinen Anverwandten: „Bedingung“. Werbend klingt Steinmeiers Appell: „Bitte, machen Sie es sich nicht zu einfach!“

Jetzt bloß kein falsches Wort, wird sich auch Wolfgang Schäuble gesagt haben. Der Finanzminister wehrt sich gegen Vorhaltungen, die Regierung habe ständig eigene rote Linien übersprungen. Schäuble wehrt auch alle Forderungen, zuletzt aus Frankreich, ab, den finanziellen Schutzwall des ESM bis auf eine Billion Euro aufzustocken. Die 750 Milliarden, die Berlin mittragen will, die reichten aus, „es sei denn, es fangen wieder alle möglichen Leute an vorzurechnen, dass drei Milliarden mehr sind als eine Milliarde“.

Aber in der Frage, die die Sozialdemokraten so brennend interessiert, zeigt sich Schäuble konziliant: Die Bundesregierung werde „alles Menschenmögliche“ tun, um eine Einigung über eine Finanztransaktionssteuer zu finden – oder jedenfalls etwas Gleichwertiges. Unionsfraktionschef Volker Kauder sekundiert: „Wir werden eine Lösung finden!“

Kauder nimmt gleich auch noch Brüderle in Schutz: Gemeinsam hätten er und der FDP-Mann in den Gesprächen mit der Opposition versucht, Wege aufzuzeigen – etwa für eine Stempelsteuer, die aber anders als das britische Vorbild auch Derivate umfasst, und für eine Regulierung des Hochgeschwindigkeitshandels.

Fast überflüssig zu erwähnen: Auch Rainer Brüderle meidet falsche Worte. Nichts davon, dass die Opposition sich nicht so haben soll – nur ein Appell: Europa brauche ein starkes Signal.

Wer sich übrigens nach dem Grund für die koalitionäre Sanftmut fragt, kann ihn in der Debatte in ein paar Nebensätzen entdecken. „Wir werden heute den Europäischen Stabilitätsmechanismus auf den Weg bringen“, sagt der Grüne Trittin – aber beim Fiskalpakt könne man sich Zeit lassen. Eine Vorstellung, auf die Kauder leicht allergisch reagiert: In den internen Gesprächen, erinnert der Unionsmann, sei von ein paar Wochen mehr Beratungszeit die Rede gewesen; solche Absprachen sollten „länger halten, als wenn der Fuß zum Beratungszimmer raus ist“. Eine Hängepartie bis in den Herbst hinein wäre der Unionsführung nicht recht. Erstens könnte deutsches Zögern bei anderen Euro-Staaten als schlechtes Vorbild wirken. Zweitens aber sind die Differenzen über Spekulantensteuern in der Koalition größer als zwischen Union und SPD. Die Lust der Koalition auf langwieriges Tauziehen ist darum gering.

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